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  • Golfspieler

mehr als 1000 Beiträge seit 20.09.2015

Etwas andere Ansicht... (achtung lang)

TL;DR: So einfach ist das nicht woanders einzuwandern und komplett dort aufzugehen, etwas bleibt einfach von der Sozialisation wo man aufwuchs.

Ich bin nun knapp 56 und lebte in 4 Ländern seitdem. Deutschland (dort aufgewachsen und geboren), Elfenbeinküste, Schweiz und nun USA.

Als ich jünger war fand ich es klar hip in der Côte d'Ivoire etwas aufzubauen und das war auch eine klasse Zeit. Und klar wurde man doch immer ähnlicher, man ass was die anderen gegessen haben, man zog sich immer mehr die traditionelle Kleidung an, und mein Französisch übernahm immer mehr den dortigen Dialekt. Ich fühlte mich gut.

Dann wurde ich in die Schweiz versetzt. Das Ganze begann von vorne - allerdings mit einer Gesellschaft die es mir nicht einfach machte mich dort einzugliedern. Von Anfang bis zum Ende war das Misstrauen gegen mich immer noch vorhanden, ich blieb zweite Klasse da ich eben nicht mit den Menschen vor ort in die Schule gegangen bin und ich natürlich auch nicht den dortigen Dialekt fehlerfrei sprach. Es hätte nur eine Möglichkeit gegeben: Einen Schweizer von dort zu heiraten - das hätte mich zumindest von 2. Klasse zu 1.5. Klasse gehoben.

Dann wurde ich nach NYC versetzt in die USA. Und da war ich bereits 47. Dasselbe fing wieder von vorne an. Die Gesellschaft war offen und nahm mich auf aber dafür war die staatliche Administration (USCIS) das nervenzermürbende Element bis man endlich sich einigermassen sicher war bleiben zu dürfen - man musste immer planen doch ein Haus in Deutschland zu kaufen als Sicherheit sollte man nach Deutschland zurück müssen. Das hemmte die Integration sehr. Als dann damals endlich EAD und Advanced Parole kamen begann eigentlich erst die Integration (man darf während dieser Zeit nicht einmal das Land verlassen ansonsten beginnt der Prozess von Neuem...).

Und je älter man wird, umso "Deutscher" werde ich - ohne es absichtlich zu wollen. Das Deutsche Bier schmeckt halt doch irgendwie und die Laugenstangen auch. Und klar, man geht mit Freunden zum Football oder Baseball, aber ich denke immer noch an Fussball Bundesliga - weil man das als Schüler mit Freunden immer geschaut hat.

Und so ertappe ich mich immer wieder in Läden mit Deutschen Produkten einzukaufen - und dabei hat sich das Deutschland so sehr geändert (wie die ganzen rechtslastigen Beiträge auf telepolis und anderswo mir zeigen - ich erkenne manchmal Deutschland nicht wieder).

Zurückgehen nach Deutschland werde ich wohl nicht mehr (Haus und Familie hier) aber tief in mir bleibt sehr viel Deutsches. Und ich schäme mich nicht dafür und lebe das auch. Ohne dass ich eine Parallelgesellschaft aufbaue. In einen Deutschen Biergarten in New York sitzen ist ja keine Parallelgesellschaft...

Ich muss auch niemandem sagen wo ich herkomme, meine englische Aussprache verleitet jedem zu sagen dass ich aus Deutschland oder der Schweiz komme.

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