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  • Two Moon

mehr als 1000 Beiträge seit 30.05.2017

Nationalismus ist eine gewisse Form von Sentimentalität

Ich denke es ist natürlich eine Verbundenheit zu spüren mit dem Landstrich in dem man wohnt oder in dem man aufgewachsen ist. Und auch Verbundenheit mit der dort lebenden Bevölkerung und ihrer Kultur (sofern die so etwas im eigentlichen Sinne überhaupt noch hat). Das ist beim einen mehr der Fall, beim anderen weniger, aber durch die Bank wohl bei den Allermeisten so.
Und es gibt bei vielen Menschen auch ein Bedürfnis nach dieser Verbundenheit, auch danach sie zu stärken.

Ebenso ist es wohl natürlich diese Verbundenheit auszudrücken in der ein oder anderen Weise.
Doch diese "echte" natürliche Verbundenheit geht aus meiner Sicht auf tiefere emotionale Schichten zurück, ist also mehr ein Bauchgefühl. Und, ganz wichtig, es bezieht sich auf einen geografisch relativ eng begrenzten Bereich. Und er umfasst auch nur eine relativ eng begrenzte Menschenmenge. Vielleicht ein Gebiet was ein gut trainierter Wanderer in 5-6 Tagen durchwandern kann oder ein guter Radfahrer in 1-2 Tagen durchfahren kann. Vielleicht auch etwas mehr. Auf jeden Fall kein Gebiet mit 1000km Länge und Breite und 82 Millionen Einwohnern.

In meinem Fall gehört dazu z.B. die sogenannte Euregio Maas-Rhein. Also große Teile des Rheinlandes, aber auch das niederländische Süd-Limburg und Teile von Ostbelgien. Das ist meine Heimat und dort leben auch die Menschen mit denen ich mich verbunden fühle, viel mehr als beispielsweise mit Sachsen oder Bayern.
Aus dem Grund z.B. waren die Grenzschließungen hier während Corona auch eine ziemlich schmerzhafte Sache.

Die heutige Art von Nationalismus oder auch Patriotismus, entstanden im frühen 19. Jahrhundert, ist hingegen aus meiner Sicht etwas ganz anderes. In gewisser Weise ist der Glaube an die Nation auch als ein Ersatz für den in dieser Zeit nachlassenden Glauben an die Religion entstanden. Das natürliche Bedürfnis der Menschen an "Verbundenheit" mit dem eigenen Volk ist damals auf die entstehenden Nationalstaaten gelinkt worden. Das jedoch, so meine Meinung dazu, war ein Prozess geistiger Abstraktion, der auch mit Idealisierungen einher ging. Und diese Idealisierungen produzieren dann diese sentimentalen Gefühle für "die Nation", weil das echte Wir-Gefühl geistig auf ein statisches Ideal umgelenkt wird und sich dadurch auch erst auf große Länder und sehr viele Millionen Menschen beziehen kann. Und die Härte dieses Ideals, sentimental unterfüttert, prallt dann auf die Härte der nationanalen Ideale anderer Völker - mit den bekannten negativen und teilweise tragischen Folgen.

Und das ist die Crux beim Nationalgefühl. Ein eigentlich natürliches und somit gutes menschliches Bedürfnis nach einem "Wir" wird durch die Abstraktion und daraus folgende Sentimentalität in etwas verwandelt was am Ende unecht und problematisch wird.
Das Gegenteil, der sogenannte Globalismus ist aber ebenso problematisch und auch irgendwie unnatürlich. Es führt letzlich nur zu einem Chaos aus individualistischen Individuen. So extrem kann es zwar gar nicht kommen, weil es zu sehr gegen die menschliche Natur ist, aber allein die Richtung dahin ergibt auch nichts wirklich sinnvolles.

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