Liebe Frau Wang, Sie haben mit Ihren eigenen Erfahrungen den Artikel bestritten und so möchte ich mir erlauben, auf meine eigenen Erfahrungen zurückzugreifen.
Aufgewachsen im Rheinland, habe ich früh ganz natürliche Ausgrenzung kennengelernt: "wir" waren die aus dem kleinen Städtchen und "die" waren die aus den umliegenden Dörfern. Normalerweise vollkommen unproblematisch. Alles waren damals Biodeutsche, kaum jemand hatte bei uns Eltern aus anderen Ländern.
Dann kam der 1. Mai !! Am ersten Mai wurde der Maibaum aufgestellt und Man versammelte sich darunter, nachdem man ihn gemeinsam aufgestellt hatte. Im Kofferraum der Autos, manche wurden nur für diesen Tag fit gemacht, weil, ob er es überleben würde, wusste man nie, lag eine Motorsäge. Warum? Es gab nichts Schöneres, als den Maibaum eines anderen Dorfes umzusägen !! Man musste auf den eigenen Maibaum aufpassen, versuchen andere Maibäume umzusägen, und wollte von allen Jungs, die ihrer 'Flamme' einen Maibaum aufs Dach setzten (ein bunt geschmückter Birkenzweig größeren Ausmaßes), von 'auswärts' kamen, eine Maut haben. Bier oder Schnaps.
Selbst zugezogene Artgenossen wurden so zu glühenden Dorfpatrioten. Man merke auf !! Selbst zugezogene ... Nationalismus hat nur sehr oberflächlich etwas mit Ethnien und ethnischen Merkmalen zu tun. Viel aber mit Zugehörigkeitsgefühl und einer gemeinsamen Sprache !! Es steht für das Gefühl, die öffentlichen Dinge, die gemeinsamen Interessen, solidarisch zu verfolgen. Ja, Nationalismus hat etwas mit Solidarität zu tun. Ohne solidarisches Verhalten bekommt man keinen Maibaum hoch und bleibt die Nacht über auf dem trockenen und kann auch das Nachbardorf nicht daran hindern, den eigenen Maibaum umzusägen, geschweige denn einen 'Raubzug' ins Nachbardorf unternehmen.
Nationalismus ist eine Form von Solidarität. Man steht solidarisch zusammen und löst gemeinsam die jeweils anliegenden Dinge. Man grenzt sich ab, indem man andere ausgrenzt und für sie Schmähnamen erfindet, Schmähgeschichten erfindet, Schmähgesänge gemeinsam singt, oder, wie in dem westfälischen Städtchen, in dem ich jetzt meinen Lebensabend verbringe, eine Stadthymne zu Karneval gröhlt. Offen bekundete Solidarität. In den 70igern machte man kein Aufhebens darüber, wenn das auch Mal blaue Flecken gab.
Nur auf dem Lande? Nur im miefigen Deutschland? Mitnichten? Zwei weitere Beispiele: der Palio in Siena und die Wettfahrt der Ruderer auf der Themse zwischen den beiden Universitäten Oxford und Cambridge. Überall geht es um das 'Wir'Gefühl, überall geht es um Solidarität.
Nein, nicht Nationalismus ist artfremd, Nationalismus ist nur eine Form des Zusammengehörigkeitsgefühls, in Deutschland verpönt, was jeder gut verstehen kann. WIR dürfen ihn nicht mehr zeigen, WIR dürfen als DEUTSCHE nicht mehr solidarisch sein. Das haben unsere Väter und Großväter gründlich verdorben.
Wer Nationalismus abschaffen will, muss jede Form der Solidarität abschaffen, alle Safe Spaces, alle Kieze, alle Bubbles und mal ganz sicher das Wir Gefühl der Kommunistischen Partei Chinas.
Sie wohnen doch in Norwegen, nicht wahr?! Fragen Sie doch Mal die Norweger, was sie von den Schweden halten, oder die Dänen und was sie von den Finnen alles für schlimme Dinge wissen.
Machen wir uns nichts vor, wir sind doch erwachsen.
P.S.: die interessanteste Erfahrung machen wir immer wieder mit den Niederländern, von uns 'Holländer' genannt. Ich war in meiner Jugend in der Feuerwehr (purer Lokalpatriotismus !!!) und bei einem Länderspiel gegen die Niederlande waren 'holländische' Feuerwehrkameraden zu Gast. Mein Gott, die Schmährufe und Schmähgesänge wurden gebrüllt und wir hatten einen Riesenspaß. Können Sie nicht verstehen, oder ... ? ...