Eine Randnote sei an den Anfang gestellt. Wer glaubt, Habermas mit dem Adjektiv 'bedeutend' hervorheben zu müssen, unterschätzt entweder sein Publikum oder hat selbst nur sehr losen Kontakt zu deutschem Geistesleben.
Bei aller Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen - was soll die Alternative zu ihnen sein? Die Privatsender mit ihrem durchkommerzialisierten quotenheischenden Schrott? Welches originelle und geistreiche Sendegefäss ist denen schon je eingefallen, die unterste menschliche Regungen ansprechenden Survival-Formaten könnens ja wohl nicht sein.
Allerdings ist die Einfallslosigkeit in der Tat monumental, riesige potentielle Themenbereiche liegen brach. Ein Grossteil der Aktivitäten der Bevölkerung wird nicht einmal gestreift, etwa Hobbys, Spiele. Wissenschaftssendungen sind zunehmend zu Lebensberatung bzw. Nudging verkommen, Edutainment mit wenig Edu und sehr viel tainment. Serien drehen sich praktisch immer um den Justizbereich, eine Schule z. B. war meines Wissens noch nie eine Serien-Location.
Aber konkret fällt Weinert nur wieder Corona ein. Wobei er nicht einmal die naheliegende Kritik anbringt, man sei damit endlos überfüttert worden. Monatelang hatte ja jede Redaktion das Gefühl, auch ihr Senf gehöre unbedingt noch dazu. Stattdessen bringt er die übliche Querschläger-Kritik an:
Kritisch wurden kaum einmal Alternativen zum Lockdown diskutiert. Und die Frage wurde kaum erörtert: Was hätten wir getan, wenn nicht rasch ein Impfstoff gefunden worden wäre? Zwei oder drei Jahre Lockdown, wäre psychologisch und ökonomisch nicht zu verkraften gewesen. Schon heute hat uns der Lockdown wohl um die 400 Milliarden Euro gekostet.
Die Alternative zum Lockdown? Die kann man in Brasilien oder den usa besichtigen. Wenns um eine akute Blinddarmentzündung geht, wird auch nicht über Alternativen diskutiert. Für manche Probleme gibts schlicht keine alternativen Lösungen. Die 400 Milliarden sind eine aus der Luft gegriffene Milchmädchenrechnung. Natürlich sind Präventivmassnahmen nicht umsonst zu haben, aber sie nicht einzuleiten macht es nur teurer. Am günstigsten ist wahrscheinlich China weggekommen mit seinen drastischen Massnahmen. Mit Eventualitäten beschäftigt man sich übrigens gescheiter dann, wenn nicht gerade das Haus brennt.
Interessant wäre auch gewesen, warum die Influenza-Toten der vergangenen 30 Jahre, die nie so intensiv registriert wurden wie die Corona-Erkrankten, früher medial fast gänzlich unberücksichtigt blieben. Auch Influenza-Tote sind Menschen!
Das 'wäre' nicht nur, das ist nach wie vor interessant und wichtig. Mir z. B. ist auch erst während dieser Pandemie aufgegangen, dass ich Grippe ziemlich unterschätzt habe. Dennoch, wenn Weinert wie ich vermute damit andeuten will, dass es sich um etwas Vergleichbares handle, kann man ihn nur bedauern. Auch ihm sollte inzwischen aufgegangen sein, dass eine Standard-Grippe nur einige Wochen grassiert, dann vorbei ist, während C-19 sehr lange bzw. immer wieder wüten kann. Wäre stattdessen eine Ausnahmegrippe aufgetreten, ähnlich etwa derjenigen von 1958 oder 1968, wär die Aufregung wohl auch vergleichbar gross wie nun mit C-19 - zurecht.
Aber das hat jetzt alles mit dem angeblichen Artikelthema nur noch relativ wenig zu tun...