Ich bezieh mich auf Ferdinand Tönnies und die Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft. In einer Gemeinschaft sind die einzelnen aufeinander verpflichtet.
Auch das ist mir jetzt nicht zu hoch, sondern zu verkünstelt. In jeder sozialen Struktur (= Gesellschaft) sind die Individuen in irgendeiner Form und irgendeinem Ausmaß aufeinander verpflichtet. Sonst würde nämlich diese soziale Struktur gar nicht existieren. Wenn der werte Hr Tönnies hier einen Unterschied macht, dann geht das m.E. an der Realität vorbei und ist daher ein künstlicher Unterschied. Aber vielleicht meint er damit auch nur, dass in vielen (allen?) Gesellschaften ein "metaphysisches Substrat" (z.B. Religion, Schöpfungsmythen) propagiert wird, das eine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder aufeinander konstruiert und begründet und so Herrschaftsformen und -ausübung legitimiert. Also quasi: Gemeinschaft = Gesellschaft + Metaphysik. Dann würde natürlich jede Spaltung per se schon mal einen Verstoß gegen die Metaphysik darstellen und man müsste dringend davor warnen.
Sonderbarerweise führen die tiefgläubigen Hayekianer Merkel und Schäuble das Wort "Gemeinschaft" verdächtig oft im Mund.
Das würde ich jetzt stark bezweifeln, dass die Beiden "tiefgläubige Hayekianer" sind. Aber ich habe diese Frage noch mit keinem der Beiden diskutiert, insofern gebe ich hier nur meinen Zweifel zu Protokoll und keinen Beweis.
Wenn Wagenknecht vor Spaltung warnt unterstellt sie einen Zusammenhalt. Welchen?
Man könnte, wenn man dem obigen Metaphysik-Gedanken folgt, auch ganz einfach sagen: Wagenknecht warnt vor der Spaltung, weil die Spaltung an sich schon das "ultimativ Böse" ist. Die Spaltung gefährdet nämlich die Metaphysik in der obigen Gleichung oder beseitigt sie sogar. Damit muss man wie Lauterbach und die katholische Kirche bei ihren Warnungen gar nicht mehr explizit begründen, vor was man eigentlich konkret warnt, es ist ja per definitionem das "ultimativ Böse". Die alttestamentarischen Propheten, die das Volk Israel vor dem Zorn Gottes warnten, taten ja auch nichts anderes. Man könnte aber auch, wenn einem meine Metaphysik zu viel ist, ganz einfach mutmaßen, dass die gute Fr Wagenknecht wohl ihren Marx nicht anständig gelesen hat, sonst wüsste sie, dass die Spaltung ein konstituierendes Element des Kapitalismus ist.