auf_der_hut schrieb am 02.05.2024 13:54:
Das sehe ich anders.
Es ist der neuer und guter Ansatz zur Bürgerbeteiligung. Man bringt einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zusammen, lässt ihn frei diskutieren und Empfehlungen erarbeiten, die dann in das Gesetzgebungsverfahren Eingang finden können. Es ist ein Element direkter Demokratie, in gewisser Weise konkurriert es mit einer Volksbefragung.
Die Nachteile von Volksbefragungen und -entscheiden seien hier noch einmal kurz aufgezählt:
- jedes politische Thema wird auf eine Ja / Nein Frage heruntergebrochen, ein wesentliches Element demokratischer Entscheidungsprozesse, nämlich der Interessenausgleich und das Finden von Kompromissen, findet nicht statt.
- die Stimmen der Minderheit fallen einfach unter den Tisch, jede Abstimmung produziert nahezu 50% Verlierer. Die Spaltung der Gesellschaft wird vertieft (z.B. beim Brexit).
- es gibt durch die ständigen Voten einen ermüdenden Dauerwahlkampf, ständige Kampagnen und Mobilisierung für irgendetwas
- bei einer Wahlbeteiligung von durchschnittlich unter 50% (Schweiz) können relativ kleine Gruppen von Aktivisten Mehrheiten für Einzelfragen bekommen, die die Mehrheit nicht interessieren. Die Abstimmung ist alles andere als repräsentativ.
- die Verantwortlichkeit und Gewissensfreiheit der gewählten Politiker wird untergraben, weil sie u.U. Dinge umsetzen müssen, von denen sie nicht überzeugt sind.
Die Auswahlkriterien sind beim Bürgerrat ähnlich wie bei einer Umfrage: der Bürgerrat soll eine möglichst repräsentative Stichprobe der Gesellschaft nach Alter, Geschlecht, Wohnort Bildungsstand usw. sein. Anders als bei den Plebisziten wird nicht über im politischen Prozess schon vorverdaute Gesetzestexte abgestimmt, sondern es werden ergebnisoffen und frei Ideen, Vorschläge und Ziele formulier. Erst danach werden die von gewählten Mandatsträgern und ihren Fachleuten im vom Grundgesetz vorgesehene Verfahren in Gesetzte gegossen.
Der erste Bürgerrat "Ernährung im Wandel" hat seine Empfehlungen erst im Februar 24 abgegeben und es gab immerhin schon eine Debatte im Bundestag darüber. Natürlich muss man abwarten, was und wie viel von den Empfehlungen umgesetzt wird, noch ist die Zeit zu kurz um darüber zu urteilen.
Aber grundsätzlich ist der bürgerrat ein spannendes und sinnvolles Instrument, gerade auch bei dem komplexen Thema Corona.
Wer natürlich alle Corona-Politiker bei Wasser und Brot im Knast sehen möchte, der wird enttäuscht werden. "In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen" (Loriot)
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/buergerrat-ernaehrung-102.html
Merkst du nicht, dass du dir selbst widersprichst?
Wir haben eine repräsentative Demokratie. Es ist Aufgabe der gewählten Abgeordneten die Bürger zu vertreten. Wer Räte einführt, die handverlesene Bürger dazu benutzt, bestimmte Inhalte zu transportieren, untergräbt dieses demokratische Prinzip. Niemand bekommt mit, was in diesen sogenannten Räten abgeht. Aber im Ernst was soll Oma Else auch dazu sagen? Wer beknetet denn diese Bürger und leitet die angeblich offene Diskussion? Wenig intransparent. Wer meint, dass die Abgeordneten nicht mehr ihre Wählerschaft repräsentieren sollen finder vielleicht das sozialistische Rätesystem toll, sollte sich aber fragen, ob er ein Problem mit unsere Verfassung hat.