Das Lohnabstandsgebot zwischen Arbeitslosengeld II und Mindestlohn ist viel zu gering. Ursache dafür sind die gestiegenen Fixkosten, die beim ALG-II-Bezug in der Regel abgedeckt sind, nicht aber beim Mindestlohn. Während also die nächste Mieterhöhung den ohnehin geringen Mindestlohn weiter schmälert, interessiert es den ALG-Bezieher nicht, denn die Miete wird vom Amt gezahlt. Hier ist nur dann ein Problem gegeben, wenn der Betroffene in einer "zu großen" Mietwohnung lebt und die Differenz selbst zahlen muss (Einzelpersonen steht eine 45qm-Wohnung vom Amt zu, leben sie in einer 50qm-Wohnung, muss die Differenz von 5qm in der Miete selbst getragen werden).
Immer mehr Menschen stehen früh auf, gehen zur Arbeit und kehren abends heim, und haben am Ende des Monats nichts übrig, um etwas zu sparen. Man lebt von der Substanz, weil Neuanschaffungen kaum zu finanzieren sind. Geht was kaputt, wird es oft nicht oder nur nach sehr langer Zeit repariert oder ersetzt. Dadurch entsteht nicht nur das "Gefühl" nichts von der Arbeit zu haben, es lässt sich auch in Zahlen ausdrücken, und zwar sowohl in Form der "relativen Armut", als auch bei der Sparquote. Ist die nämlich nahe oder gleich Null, spricht man von einem prekären Verhältnis.
In Deutschland sind aktuell rund 40M Menschen abhängig beschäftigt. Jeder Vierte verdient weniger als 14,- Euro in der Stunde. Der Durchschnitt liegt aber irgendwo bei 18 - 20,- Euro in der Stunde. Selbst da ist man aber nicht unbedingt wohlhabend, etwa in einem Einzelverdienerhaushalt, weil der oder die Partner/in der Kinder wegen daheim bleibt. Da rutscht man auch direkt in die Armut und muss sich Gedanken machen, wie man mit dem Geld hinkommt. Der aktuelle Bedarf für eine vierköpfige Familie liegt etwa bei 3400,- Euro Netto im Monat bzw. zwei Einkommen zu je 1700,- Euro Netto. Das sind rund 2600,- Euro Brutto (je nach Lohnsteuerklasse) bzw 15,50 Euro Stundenlohn. Wenn man ein Einzelverdiener ranschaffen muss, müsste man also eigentlich über 30,- Euro in der Stunde verdienen, um allein die vierköpfige Familie zu versorgen.
Die paar genannten Zahlen sollten vielleicht eine Idee geben, wieso "Kürzungen bei ALG II" kein Lösungsansatz sind, sondern das Einkommensniveau steigen muss, OHNE dass die Lebenshaltungskosten steigen. Denn nur so bekommt man die marode Binnenwirtschaft überhaupt wieder ans Laufen. Den Menschen fehlt es schlichtweg an Kaufkraft, um treibende Kraft hinter dem Aufschwung zu werden.
Wird dagegen weiter gekürzt, soll nur der Arbeitnehmer erpressbar gemacht werden, noch unwirtschaftlichere Jobs zu machen. Dabei denkt auch ein Arbeiter wie ein Geschäftsmann: der Ertrag aus der Arbeit muss reichen, um die Kosten zu decken. Reicht also die Entlohnung nicht, dann lohnt es sich auch nicht, die Arbeit zu machen. Warum sollte jemand, der wirtschaftlich denkt und handelt, bestraft werden?