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  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Das Märchen vom Fachkräftemangel

Es gibt keinen Fachkräftemangel, es gibt lediglich einen Mangel an
billigen Fachkräften, die sich auch mit Einkommen knapp über dem
Hartz-IV-Niveau begnügen. Ich selbst hatte vor Jahren im Rahmen eines
1-Euro-Jobs 18 Monate lang für einen bundesweit tätigen Verein
Software entwickelt, und zwar von zu Hause aus, weil man dort nicht
einmal bereit war, mir einen PC-Arbeitsplatz zur Verfügung zus
stellen.

Einerseits wird die Ausbildung an den Universitäten zunehmend
schlechter, und das nicht nur durch das beschleunigte Studium und die
steigende Abhängigkeit der Hochschulen von kommerziellen Geldgebern.
Auch die Investitionen in das deutsche Bildungssystem nehmen unter
dem seit Jahrzehnten verordneten Sparzwang stetig ab. Dabei gibt es
mehr als genug Fachkräfte, wie die offiziellen Zahlen der studierten
Arbeitslosen zeigen. Der Fachkräftemangel wurde nämlich genauso "frei
erfunden" wie die durch nachhaltige Plünderungen der deutschen
Sozialkassen entstandenen finanziellen Engpässe der Rententräger oder
die angebliche "Überschuldung": Durch ständige Steuergeschenke an die
Reichen und Wohlhabenden, finanziert durch Kredite und durch Raub an
den wirklich Arbeitenden und den ganz Armen hat man mit voller
Absicht den Haushalt ruiniert. Das hat Prof. Dr. L. Jarras bereits
2005 festgehalten und niedergeschrieben [1]:

"Angeblich sinken die Steuereinnahmen, weil die Konjunktur lahmt,
obwohl Deutschland ein reales Wachstum von über 1,5% pro Jahr hat und
auch in den nächsten Jahren nach den Regierungsschätzungen ein
Wachstum von 1 bis 2% pro Jahr erreicht werden wird. Die
entscheidenden Fragen werden nicht gestellt:

• Warum sinken die Steuereinnahmen auf Einkommen aus
Unternehmertätigkeit & Vermögen, obwohl diese Einkommen weiter
steigen?

• Warum belastet Deutschland diese Einkommen effektiv nur mit gut
20%, während alle anderen EU-15-Länder (mit Ausnahme von
Griechenland) diese Einkommen mit effektiv rund 30% belasten?

• Warum subventioniert Deutschland steuerlich den Export seiner
Arbeitsplätze in Billiglohnländer?"

Doch zurück zum Fachkäftemangel.

Auf den Nachdenkseiten findet man Material in rauhen Mengen, das den
Fachkräftemangel als ebenso inszeniert und "erfunden" belegt wie
quasi alle derzeitigen "politischen Sachzwänge" mit angehänger
"Alternativlosigkeit":

• Chinesische Pflegekräfte – das böse Spiel mit dem
„Fachkräftemangel“
> http://www.nachdenkseiten.de/?p=16751
Auszug:
"Da hierzulande rund 30.000 Fachkräfte im Pflegebereich fehlen und
potentielle Bewerber aus der EU einen weiten Bogen um das
Niedriglohnparadies Deutschland machen, will die Bundesagentur für
Arbeit nun im großen Stil Pflegekräfte aus China und den Philippinen
anwerben. Doch was sich hinter dem vermeintlichen „Fachkräftemangel“
versteckt, ist eigentlich vielmehr die logische Folge der
Privatisierung des Gesundheitssystems. Der drohende Pflegenotstand
wurde mutwillig herbeigeführt und ist politisch durchaus gewollt.
Nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind aktuell 18.000
offene Stellen in der Kranken- und Altenpflege nicht besetzt. Der
Arbeitgeberverband Pflege geht sogar von aktuell 30.000 fehlenden
Fachkräften aus. Wenn man bedenkt, dass seit dem Beginn der großen
Privatisierungswelle im Jahre 1995 alleine in der Krankenpflege rund
50.000 Vollzeitstellen abgebaut wurden und die anfallende Arbeit
nicht weniger, sondern mehr wurde, kann der jetzige
„Fachkräftemangel“ kaum verwundern. Vor allem die privaten
Krankenhausbetreiber haben diesen Mangel mit aller Macht
herbeigeführt. Um die gesteckten Renditeziele zu erreichen, mussten
die Kosten heruntergefahren werden und im Gesundheitssektor sind die
Personalkosten nun einmal der einzige Kostenblock, bei dem
nennenswertes Sparpotential vorhanden ist."

• Wie Sie vom Spiegel an der Nase herum geführt werden. Beispiel
angeblicher Fachkräftemangel.
> http://www.nachdenkseiten.de/?p=7364
Auszug:
Heute (16.10.2010) erscheint bei Spiegel Online ein Artikel über eine
DIW-Studie mit der Schlagzeile „Experten bezweifeln Mangel an
Fachkräften“ und folgendem einleitenden Text: „Die deutsche Industrie
klagt seit Jahren über den Mangel an Fachkräften und vermeintlich
fatale Folgen für die Wirtschaft. DIW-Forscher haben sich die
populäre These genauer angeguckt – und sind zu einem eindeutigen
Ergebnis gekommen: Sie ist falsch.“
Dass die These falsch ist, merken die Spiegelredakteure jetzt. In den
NachDenkSeiten konnten Sie in den letzten Jahren immer wieder lesen,
dass die „populäre These“ bewusst und gezielt verbreitet worden ist,
unter anderem maßgeblich vom Spiegel.

• und einige weitere Artikel:
> http://www.nachdenkseiten.de/?s=Fachkr%C3%A4ftemangel&Submit.x=0&Submit.y=0

Im Grunde dient der angebliche Fachkräftemangel ebenso wie die
Einführung der Hartz-Gesetze dem Legalisieren von Lohndumping. Bei
der Hartz-Gesetzgebung ist das offensichtlich: Sie soll die
arbeitenden Bevölkerung in Angst vor der üblen Verfolgungsbetreuung
durch die Jobcenter versetzen und halten, damit die Leute nicht
aufmucken und Lohnkürzungen sowie unbezahlte Überstunden ohne Murren
hinnehmen. Bei der Fachkräftemangel-Lüge ist das auf den ersten Blick
nicht so deutlich. Tatsächlich dient der angebliche
Facharbeitermangel aber genau so dem Lohndumping: "Man suggeriert
mittels überalterter, und auf manipulativen Hochrechnungen
basierenden Statistiken, dass zu wenig qualifizierte Facharbeiter dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen würden. Deshalb lockt man noch
ausländische Ingenieure nach Deutschland, um das vermeintliche
Defizit an Arbeitskräften auszugleichen. Doch gerade das Gegenteil
von Mangel ist der Fall! Ein Überangebot an Arbeitskräften ist
vorhanden! Es gilt das Marktgesetz von Angebot und Nachfrage, was den
Preis, in diesem Fall die Höhe der Entlohnung, bestimmt. Je mehr
Fachkräfte sich um ein und diesselbe Stelle bewerben, desto mehr
lässt sich das Gehalt der Bewerber drücken! Es handelt sich um ein
überaus perfides Spiel, das sich Großkonzerne mit Unterstützung der
korrupten Politik haben einfallen lassen, um Unternehmensgewinne nach
oben schnellen zu lassen (verringerte Lohnkosten ergeben höhere
Gewinne für Hauptanteilseigner und deren Manager-Lakaien)." [2]

Das Märchen vom Fachkräftemangel – Film von Ulrike Bremer
> https://www.youtube.com/watch?v=lFq2aAcf-8s
»„Ingenieursmangel! Ärztemangel! Zu wenig IT-Spezialisten!" und „Wenn
wir nicht gegensteuern, geht es bergab mit Deutschland." Das sind
alltägliche Schlagzeilen, mit denen Politik gemacht wird. „Der
Arbeitsmarktreport" deckt die Hintergründe des seit Jahrzehnten
beklagten Fachkräftemangels auf. Tatsächlich lenkt der lautstarke
Hilferuf bewusst ab von gewichtigen Problemen: Lohndumping und
Arbeitslosigkeit. Akteure in diesem Spiel sind Lobbyverbände der
Wirtschaft, die zusammen mit den Politikern und der Bundesagentur für
Arbeit den Arbeitskräftemarkt in Deutschland gestalten. Kaum ein
Lobbyverband hat sich so vehement dafür eingesetzt, ausländische
Fachkräfte ins Land zu holen, wie der Verein Deutscher Ingenieure
(VDI). Ingenieure selbst sind es, die dem Verein vorwerfen, er lasse
sich von Unternehmen instrumentalisieren und drücke das
Mindestgehalt. Weil der Ingenieursverband regelmäßig mit
Horror-Zahlen aufwartet, hat man den Ingenieursberuf zum Mangelberuf
erster Klasse erklärt und erlaubt Unternehmen jetzt,
hochqualifizierte ausländische Fachkräfte einzustellen, zu einem
Mindestlohn von 32.500 Euro im Jahr. Früher lag diese Grenze bei
66.000 Euro. Mit Blue Card und europäischer Freizügigkeit sollen
Fachkräfte aus Spanien, Griechenland, Rumänien und Bulgarien auf den
deutschen Arbeitsmarkt strömen. Deutschland ist stolz darauf,
Krisenstaaten zu unterstützen, indem es ihnen Arbeitslose abnimmt.
Offene Stellen ohne Bewerber? Tatsächlich kommen derzeit sechs
passende Bewerber auf ein Jobangebot. Provozieren Unternehmer also
ein bewusst Überangebot an Fachkräften, um trotz anziehender
Konjunktur geringere Löhne zahlen zu können? Die Bewerber von heute
sehen sich nicht mehr als Bittsteller. Sie fordern, anstatt schlechte
Bedingungen zu akzeptieren, nur um einen Job zu bekommen. Am Ende
entpuppt sich der behauptete Fachkräftemangel als Strategie, die sich
für Politik und Wirtschaft durchaus lohnen kann.«

Ich kann und will hier jetzt nicht eine komplette Übersicht über das
im Internet zu findende Material zum Thema Facharbeitermangel zur
Verfügung stellen, denn ich hab eigentlich keine Zeit und muß auch
samstags und sonntags arbeiten. Dennoch sollte klargeworden sein –
und ich kann das aus eigener leidvoller Erfahrung bestätigen: Es gibt
keinen Fachkräftemangel, es gibt lediglich einen Mangel der
Großkonzerne an Anstand und Moral, an Bereitschaft zu fairer
Bezahlung und an Aufrichtigkeit. DAS ist unser Problem, wie schon vor
vielen Jahren Joel Bakan in seinem Buch "Das Ende der Konzerne"
dargelegt hat: Konzerne sind destruktiv für die Gesellschaft und ihre
Moral. Eine auf den Fakten dieses Buches gedrehte Dokumentation
findet ihr dort:

> https://www.youtube.com/watch?v=4PSxtJNp9Pc
> https://www.youtube.com/watch?v=LAXKlocNSeo

[1] Privater Reichtum und öffentliche Armut, Handlungsoptionen der
deutschen Steuerpolitik
> http://www.jarass.com/jarass.de/dat/pub/0904/DGB_Steuerpolitik.pdf

[2] Weiterlesen:
> http://www.klarsicht-tv.de/index.php/manipulation/die-luegen-der-geldelite/fachkraeftemangel-luege

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