KampfKeksKommando schrieb am 22.04.2020 01:08:
Sie verrennen sich gerade gehörig. 300.000 Tests pro Woche, bei 82 Mio Bewohnern dieses Landes, die nicht repräsentativ erfolgen, besagen genau gar nichts.
Ja, die Stichproben sind nicht gut, genau das habe ich ja auch geschrieben. Das ändert aber nichts daran, dass sich starke Trends auch an schlechten Stichprobe ablesen lassen.
Die Empirie besagt,
Wer ist Empirie, kennen Sie die persönlich? :-)
https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=empirie
Die Empirie ist die Lehre um wissenschaftliche Schlüsse zu ziehen aus wissenschaftlicher Erfahrung. Und diese Erfahrung sind genau die Stichproben, die sie zwei Sätze vorher für nutzlos erklären. Also es gibt genau zwei Möglichkeiten: a) Die Daten sagen gar nichts aus. b) Oder die Daten sagen etwas aus. Im letzten Fall geben wir Wissenschaftler dafür einen Fehler mit an.
dass der Höhepunkt der Coronawelle zwei Tage vor dem Lockdown stattgefunden hat. Das finden Sie beim RKI, wenn Sie sich denn die Mühe machen würden, die Zahlen zu überprüfen.
Der Höhepunkt spielt bei einer Messung oftmals sehr viel weniger eine Rolle als der Trend, also die erste Ableitung, und/oder die Kurvenform. Ist die erste Ableitung konstant reden wir von linearem Verhalten. Wächst die Ableitung mit der Zeit und diese noch exponentiell reden wir von exponentiellem Verhalten. Vor dem von Ihnen so richtig gesehen Höhepunkt hatten wir ein exponentielles Wachstum. Danach haben wir ein lineares Abfallen.
Eine Seuche folgt einer logistischen Funktion. https://matheguru.com/allgemein/logistische-funktion.html
Wir Wissenschaftler haben uns nicht umsonst so einen grossen Zoo an Funktionen zugelegt. Jede Funktion steht nämlich für spezielles Verhalten von Systemen. So z.B. die Exponential-Funktion für ungebremstes Wachstum, oder die Logistische Funktion für anfangs exponentielles Wachstum, was dann durch einen äusseren Faktor abstirbt. Z.B: wenn einer Bakterien-Kultur die Nährstoffe ausgehen.
Bei den Daten das RKI sehen wir aber kein logistisches Wachstum. Dieses könnten wir auch nur sehen, wenn der Durchseuchungsgrad mehr als 50% betragen würde, was er aber sicher noch nicht tut. Auch sind die "Höhepunkte" einer logistischen Funktion flach und nicht ein steiler Gipfel.
Die Abkehr vom exponentiellen Wachstum, welche nicht das "natürliche" logistische Verhalten ist muss also auf einem weiteren Faktor beruhen. Dieser Faktor sind die Massnahmen um die Seuche einzudämmen. Also Isolation von Infizierten, Hinweise an die Bevölkerung Kontakt zu meiden und schliesslich die Einführung des Lockdowns.
Ob der "Höhepunkt" nun zeitlich zwei Tage vor oder zwei tage nach dem Lockdown erfolgte ist nicht so aussagekräftig wie sie vielleicht denken mögen. Denn, wie Sie schon richtig bemerkten, sind die Tests nicht repräsentativ, geben also nur ein indirektes Bild des realen Verhaltens wieder. Dies kann locker eine Verschiebung der Zeitskalen von einer Woche ausmachen. Genau deshalb wird in der Wissenschaft nicht mit "Höhepunkten" sondern mit Trendverhalten gearbeitet, weil letzteres robustere Aussagen erlaubt.
Wikipedia ist als Quelle eher untauglich. Über dieses Thema gab es auch hier bei heise ausreichend Artikel zu lesen.
Ich könnte natürlich Artikel aus Fachzeitschriften zitieren. Die sind evtl. besser als die Wikipedia, haben nur den Nachteil, dass alle, die nicht an einer Uni sind, diese nicht einfach lesen können.
Wer bei den Tests Rosinenpickerei betreibt und 97jährige mit Krebs im Endstadium auf Palliativstationen als Coronatote zählt, wie es das RKI aktuell macht, und trotzdem nicht auf eine Übersterblichkeit kommt, die auch nur eine der getroffenen Maßnahmen rechtfertigt, hat für mich jede Seriosität verwirkt.
Da gebe ich ihnen sofort recht. Das RKI hat so ziemlich alles was man falsch machen kann falsch gemacht. Trotzdem können wir Wissenschaftler aus dem Datenschrott der da entstanden ist trotzdem Schlüsse ziehen. Das ist die eigentliche Aufgabe von Wissenschaft, aus unvollständigen, fehlerbehafteten Grössen sauber Schlüsse zu ziehen.
Das nachzubeten ist IMHO extrem kleingeistig.
Was ich bis heute nicht verstehe ist dass hier so viele Trolle auf Telepolis ständig Wissenschaft und Religion "nachbeten", "Jünger", "heilig" in einen Zusammenhang stellen wollen.
Religion baut auf Glaubens-Sätzen auf, welche weder beweisbar noch widerlegbar sind. Philosophen haben 2000 Jahre lang versucht die Religion zu widerlegen - bis heute hat es keiner geschafft.
Wissenschaft hingegen muss widerlegbar sein, sonst ist es keine. https://sedl.at/Widerlegbarkeit
Wenn z.B. morgen bessere Daten über den Infektions-Verlauf vom RKI vorgelegt werden würden, welche einen völlig anderen Kurvenverlauf zeigen würden, müsste die ganze Analyse, welche ich oben zeigte, neu erfolgen und könnte zu anderen Ergebnissen kommen. Noch wichtiger wäre es dann allerdings zu untersuchen wieso sich die beiden Datensets so gravierend unterscheiden. Bevor das nicht geklärt ist würden die neuen Zahlen mit zurecht sehr grosser Skepsis betrachtet werden.
Beste Grüße
Volker Jaenisch