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Re: ist halt ein Selbstgerechter

c.renée schrieb am 18.04.2021 02:55:

Seit es vor Jahrzehnten damit anfing war ich dagegen, denn es ist nichts als eine spinnerte Idee von irgendwelchen gelangweilten Kleinbürgerinnen. Eventuell auch Kleinbürgern, was weiß ich.

Das kann man natürlich so sehen. Alternativ dazu kann man sich jedoch den Hintergrund anschauen, der zu derlei Schreibweisen geführt hat. In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrunderts wurde die Frau noch generell als etwas betrachtet, das dem Mann untertan zu sein hat.Dagegen formierte sich Widerstand, der schließlich in die Emanzipationsbewegung mündete. Da man die Unterdrückung der Frau auch in der Sprache manifestiert sah, entwickelt sich Protest auch dagegen. Und so erfand man das Binnen-I. So zumindest stellt sich für mich als Mann die Entwicklung dar.

Unglücklicherweise kam man dann später auf die Idee, diesen Stil mittels eingelagerter Doppelpunkte und Stolpersterne weiter zu "entwickeln", die man dann noch durch Kunstpausen sprachlich ausdrücken soll, die den natürlichen Sprachfluss unterbrechen. Damit ruft man aber nicht nur diejenigen auf den Plan, die jegliche Änderung ablehnen (Aber wir haben doch das generische Maskulinum!!!!11) sondern auch Sprachästheten (Was soll denn diese grauenvolle Spachverhunzung? Weg damit!!!!11).

Ich bin 100 % für Emanzipation aller Menschen, vor allem die Männer hätten es nötig, vor allem zu kapieren, was das Wort eigentlich heißt.

Unter Emanzipation verstehe ich einen Prozess, dessen Zweck und Ziel es ist, zu erreichen, dass ursprünglich benachteiligte Gruppen als gleichwertig und gleichberechtigt betrachtet und behandelt werden. Es handelt sich also um einen Entwicklungsprozess, der alle Aspekte des Problems erfassen muss, um tatsächlich erfolgreich zu sein. Womit wir bei der Sprache angekommen sind.

Sprache ist laut gewordenes Denken. Denken geschieht mittels Begriffen, die Inhalte repräsentieren. Wir können nur das aussprechen, was wir uns ausdenken können. Wir können uns nur das ausdenken, was wir in Begriffe fassen können. Alles andere sind Gefühle, die wir nicht in Worte fassen können. Das funktioniert natürlich auch umgekehrt: Worte, die wir lesen oder hören, sind Begriffe, die wir sehr unmittelbar in Gedanken umwandeln. Das ist der Weg, den wir haben, um den Input zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Nur das, was diese Prüfung positiv übersteht, geht auch positiv ins Unterbewusstsein ein, das ja mit dem bislang Beschriebenen untrennbar verbunden ist. Alles andere wird abgewiesen oder schlägt sich negativ nieder.

Die Genderschreibweisen versuchen, diesen Mechanismus in ihrem Sinne zu nutzen. Da sie als technokratische Kopfgeburt weit mehr Abwehr hervorrufen als Akzeptanz sind sie sehr klar vom Typ "gut gemeint". Gut gemeint ist aber regelmäßig das Gegenteil von gut gemacht.

Afair läuft das jetzt seit ~40 Jahren mit dem "Gendern", aber für die Emanzipation der Frauen hat es in DE nichts bewirkt. Es wird auch in 100 Jahren nichts bewirken, das ist eine Alibiveranstaltung von Schwachmaten.

Das Gendern ist bislang auch nicht allgemein akzeptiert. Daher hält sich meine Verwunderung in Grenzen. :-)

Falls Sie es nicht mitgekriegt haben, ich bin eine Frau.

Ja, das habe ich an anderer Stelle schon gelesen. BTW: Ich bin kein Freund des Siezens in Foren. Nach althergebrachter Newsgrouptradition bevorzuge ich das Duzen.

In einem anderen Kommentar hattest du geschrieben:

Für jemand, der sich mit ADS und/oder autistischen Anteilen rumplagt können solche Texte zur Qual werden.

Das ist in meinen Augen ein höchst valides Argument, derlei Schreibweisen zu unterlassen. Zumal es oftmals brauchbare Alternativen gibt. Zumindest vermute ich, dass diese Menschen beispielsweise das Wort "Produzierende" leichter lesen können als das Wort "Produzent:innen". Wer also Sprache diskriminierungsfrei gestalten will, der sollte das, was er dafür tun will, sorgfältig prüfen.

JHR

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