Die Artikelserie von Herrn Elsner ist ein dringend notwendiger Gegentakt gegen das Dröhnen der westlichen Propaganda. Man muß Telepolis zu diesem Autor gratulieren.
Da kann man es auch hinnehmen, daß die Serie stellenweise wie ein überbelichtetes Bild wirkt - ohne Schatten. China ist seit einiger Zeit die Projektionsfläche einer merkwürdigen Melange von Linken und Rechten, die sich in China ein wiedererstehendes Gegengewicht gegen die USA erhoffen.
China ist kein Sozialismus, aber jedenfalls ein Gegenmodell zum neoliberal erstarrten Westen. Man sollte aber schon die Widersprüche der chinesischen Entwicklung zur Kenntnis nehmen.
Als Beispiel nur mal das Investitionsabkommen mit der EU (Comprehensive Agreement on Investment, CAI). Im Prinzip ist der Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und China sicher zu begrüßen. Und wenn man dann sieht, daß grüne Transatlantiker wie der Herr Bütikofer im EU-Parlament das CAI blockieren, dann ist man schon mal aus Daffke für CAI.
Aber es sollte zu denken geben, daß auch die Gewerkschaften gegen das CAI sind. Das Recht auf Gewerkschaftsbildung und Koalitionsfreiheit ist im CAI nicht enthalten. Dabei wäre das dringend nötig, da es nicht nur die chinesische Arbeiterklasse, sondern auch die im Westen entlasten würde.
Bis jetzt wurde der Aufstieg Chinas bezahlt von der chinesischen Arbeiterklasse, die ihre Knochen hingehalten hat, von den arbeitenden Mittelschichten im Westen, die einen Abbau ihrer Arbeitsplätze und -bedingungen hinnehmen mußten und mit einem Krieg gegen die Natur.
Und weiter: so phänomenal der Aufstieg Chinas bisher auch war, man darf nicht übersehen, daß die USA durch ihre Führung in Schlüsseltechnologien und auf dem Finanzsektor noch jede Menge Waffen in der Hand haben, um China nachhaltig zu schaden.
Jüngstes Beispiel für die Finanzmacht der USA ist der Fall Huawei. In der letzten Woche meldete die japanische Nikkei, daß Huawei als Folge der von Trump veranlaßten US-Sanktionen 90% des Marktes für Smartphones und für IT-Technik in Europa verloren hat. Im Jahr 2020 war Huawei noch der zweitgrößte Smartphone-Hersteller auf der Welt. In diesem Jahr ist die Firma auf 4% des Weltmarktes abgestürzt. Die Amerikaner können aufgrund ihrer Position im Finanzsystem immer noch jede Firma auf der Welt über die Klinge springen lassen, wenn sie das wollen.
https://asia.nikkei.com/Business/Business-Spotlight/Huawei-enlists-army-of-European-talent-for-battle-with-US
Trotzdem: insgesamt sind die Chancen von China nicht schlecht. Der singapurische Diplomat Kishore Mahbubani, im Artikel von Elsner erwähnt, hat darauf hingewiesen, daß sich die Fronten des Kalten Krieg merkwürdig umgekehrt haben. Einem dynamischen und handlungsfähigen China steht ein reformunfähiger, sklerotisch erstarrter neoliberaler Westen gegenüber. Dem in der Systemauseinandersetzung vorerst weiter nichts einfällt, als Knüppel in die Speichen der chinesischen Produktionsmaschine zu stecken.
Die chinesische KP hat in der Vergangenheit katastrophale Fehler gemacht. Sie hat sich aber auch erstaunlich fähig zur Selbstkorrektur erwiesen. In dieser Auseinandersetzung mit dem Westen hat sie vor allem eins verdient: unsere kritische Solidarität.