franz (12) schrieb am 11.07.2021 23:46:
Ich bin seit 2012 jedes Jahr mindestes einmal in China, vor allem aus beruflichen aber auch aus kulturellen Gründen. Meine Erfahrungen und Analysen decken sich vollständig
mit denen von Wolfram Elsner. Ich habe auch begonnen, Chinesisch zu lernen.
Bei mir war das erste Mal 2007. Der Blick von Wolfram Elsner kommt mir daher eher wie der Blick durch die rosa Brille vor. Er will das sehen, was er sehen will. Ich habe da einen mehr pragmatischen Blick, aber ich komme ja auch aus einem der MINT Fächer.
Dass Konfuzius hoch im Kurs steht, auch bei der Partei, haben Sie inzwischen wohl auch festgestellt. Es gibt ja inzwischen überall in der Welt Konfuzius-Institute, und das ist gut so. Der Schwachpunkt Ihrer Analyse besteht darin, dass Sie die Lernfähigkeit der KP Chinas und der Chinesen allgemein unterschätzen.
Ich schätze die chinesische Kultur durchaus und ich werde sie sicher nicht unterschätzen - und das tun andere in der Zwischenzeit auch nicht.
Dass z.B. die Kulturrevolution ein Fehler war, das weiss jeder Chinese (ich habe keinen Chinesen gefunden, der das anders sieht). Aber aus diesem Ereignis zu schliessen, dass damit China für die nächsten 100
mit einem unaustilgbaren Makel behaftet und immerwährend zu kritisieren sei, ist eine absurde Haltung.
Die Chinesen haben sich mit der Kulturrevolution massiv selbst geschadet. Darauf zielte meine Kritik auch gar nicht. Und ich werde es Ihnen sicherlich nicht in den nächsten hundert Jahren vorwerfen. Aber man darf aktuelles Verhalten kritisieren. Jetzt wo China in die oberste Liga aufgestiegen ist hält es sich entweder an die bestehenden Regeln der wirtschaftlichen Zusammenarbeit oder es trägt die Konsequenzen, wenn es aus der Reihe tanzen will.
Klar, China steht es frei seine eigenen Regeln zu machen, aber dann will möglicherweise keiner der Anderen mehr mitspielen. China macht nun mal die meisten Geschäfte mit westlichen Demokratien.
Die Chinesen haben daraus gelernt, und entscheidende Schlussfolgerungen gezogen. Ferner, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass
ein Einparteien-System auf lange Sicht ein Kein-Parteien-System ist? China wird mittelfristig in eine Rätesystem übergehen.Ceterum censeo: Der Dollar als Weltwährung muss zerstört werden.
Ich bin Realist und nicht Idealist. Ein Rätesystem ist nur schwer kompatibel mit der menschlichen Natur. Es kann funktionieren, wo sich Menschen zusammenfinden, die die gleichen Ziele haben, aber viele Menschen haben andere Ziele. Deswegen haben wir Mehrparteien Systeme.
Es wird immer einen Anteil von 10-15% der Menschen geben, die Anführen und Ihr eigenes Ding machen wollen. Diese Leute dominieren heute die Politik und die Wirtschaft und selbstredend würden sie auch die Räte dominieren - hätten wir ein Rätesystem.
An anderer Stelle wurden schon die Prinzipien der menschlichen Menschheit Dummheit erwähnt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_M._Cipolla#Die_Prinzipien_der_menschlichen_Dummheit
Da werden verschiedene Menschentypen beschrieben.
Deswegen wurde ja auch versucht in der DDR die Menschen zu sozialistischen Menschen umzuerziehen. Bei manchen Leuten klappt es, manche tun nur so und der Rest hat sowieso immer sein Ding gemacht. Und nach der Wende wurde der Ballast abgeworfen.
Ich habe sogar von Politoffizieren gehört die nach der Wende gute Kapitalisten geworden sind.
Das konnte man auch gut beim Ende der Sowjetiunion sehen. Am Anfang wurde das Volksvermögen gleichmässig über Anteilsscheine verteilt und am Schluss wurden ein paar clevere und skrupellose Menschen zu Oligarchen.
Ich persönlich habe kein Interesse an einem Rätesystem. Warum sollte ich mich bei meiner Arbeit von Leuten ausbremsen lassen, die keine Ahnung haben von dem, was ich tue. Eine Demokratie dagegen gibt mir die Freiheit, die ich brauche.
Und es steht ausser Frage das Xi ein fähiger Politiker und Technokrat ist. Aber in China gibt es keine Gegengewichte zu Ihm. Seine wichtigsten Konkurrenten sind nicht mehr in der Partei. Für ihn gilt plötzlich nicht mehr die Regelung der zwei Amtszeiten.
Partei hin / Partei her: Zur Zeit ist er Alleinherrscher.
In vielen sozialistischen / kommunistisches Länder hat sich nach der Machtergreifung der Regierungschef an die Macht geklammert. (Stalin: 29 Jahre, Honnecker: 19 Jahre, Castro: 46 Jahre, Ceaucescu: 26 Jahre, ...). Macht ohne Kontrolle korrumpiert auf Dauer. Deswegen gibt es in Demokratien Gegengewichte, die die Macht einschränken. Funktioniert mal mehr gut, mal weniger gut. Ist aber wichtig.