Das größte Problem ist, dass der Westen sich nie an seine eigenen Regeln gehalten hat. Die Idee multilaterale Organisationen wie beispielsweise die UN oder WTO einzuführen, war grundsätzlich gut. Doch wenn man für sich selbst das Recht beantsprucht, Ausnahmen machen zu dürfen, wenn es einem passt, dann ist das gesamte Konstrukt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Schon beim Yugoslawienkrieg gab es Stimmen, die vor einer solchen Entwicklung gewarnt haben. Der endgültige Dammbruch war dann der Irakkrieg, der gezeigt hat, dass auf den Westen kein Verlass ist. Länder wie China und Russland haben das Treiben sehr genau beobachtet und letztendlich ihre eigenen Schlüsse daraus gezogen - gerade angesichts der Tatsache, dass der Westen nicht gerade die beste Geschichte in diesen Ländern hat. Dieses Kolonialdenken zieht sich bis heute durch unsere Außenpolitik. Denn der Westen hat niemals das Ziel verfolgt, eine gleichberechtigte Partnerschaft anzustreben. Wer sich nicht an die westlichen Spielregeln hält, wird mit Kriegen und Sanktionen überzogen. Diese vermeintliche Weltordnung war nie mehr als Barbarei. Nur bei den eigenen Bevölkerung konnte man den Mythos von vermeintlichen Werten aufrecht erhalten. Eine Illusion war das jedoch schon immer.
Nun ernten wir die Früchte dieser Politik. Anstatt den BRICS-Ländern sowie allen anderen blockfreien Staaten auf Augenhöhe zu begegnen, und mit ihnen gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, ist das bisschen Zivilisation, das uns blieb, nun mit Ausbruch des Ukraineskrieges sowie der westlichen Reaktion darauf, auch noch verloren gegangen. Innerhalb kürzester Zeit wurde mehrere Jahrzehnte Fortschritt dem Erdboden gleichgemacht. Ohne jegliche Selbstreflektion hat man sich immer weiter ausgedehnt und mit einer unglaublichen Arroganz und Ignoranz alle anderen - in diesem Fall vor allem die Russen - vor den Kopf gestoßen.
Die Folge: wir stehen vor einem Scherbenhaufen. Wir haben uns in eine Sackgasse hineinmanövriert, aus der wir nicht mehr herauskommen. Vor allem wir Europäer klammern uns weiterhin mit aller Macht an die sich im Abstieg befindende Weltmacht auf der anderen Seite des Atlantiks. Dabei hat schon längst das neue Zeitalter begonnen - und dieses wird kein westliches sein. Europa hätte hier eine verbindende Rolle zwischen den beiden Mächten im Westen und Osten spielen können. Man hätte ein wichtiger Brückenkopf in Eurasien sein können. Dieser Zug scheint nur vorerst abgefahren zu sein.
Der Auftritt der deutschen Außenministerin sowie von Ursula von der Leyen in China sprechen da eine sehr deutliche Sprache. Sowas mag zwar im deutschen Blätterwald für Jubelstürme sorgen, doch der Rest der Welt schüttelt nur mal wieder mit dem Kopf angesichts soviel Überheblichkeit.