Von vergleichbarer Tragweite ist die Historie folgender Firma:
Eine Medienkritik
von Susanne Härpfer
Die Otrag könne von Libyen aus heimlich Militärtechnik an Pakistan, Irak und weitere Länder verkaufen, warnten US Geheimdienstler. Dies schrieb der bekannte amerikanische Journalist Kenneth Timmerman für das Simon Wiesenthal Center 1992. In der 141-Seiten-Studie warnte er vor Massenvernichtungswaffen für Iran, Syrien und Libyen. Er listet auch die Orbital Transport und RaketenAktiengesellschaft (Otrag) auf. Diese gehöre Lutz Thilo Kayser, „einem Freund der früheren Nazi-Raketentechniker Wolfgang Piltz und Kurt Debus“, so der Bestseller-Autor. Er sei eine Allianz mit Despoten der 3. Welt eingegangen, um Raketen zu entwickeln. Deutschland war es nach dem Zweiten Weltkrieg verboten, an der Entwicklung und Produktion von Raketen zu arbeiten. Dennoch habe Kayser 1976 von der Deutschen Regierung die Erlaubnis erhalten, an Raketen zu werkeln – außerhalb Deutschlands. Mobutu Sese Seko, Staatschef des Afrikanischen Zaire, erlaubte der Otrag auf einem 100,000 km ² großen Gelände Raketen zu bauen und abzufeuern. Die Deutschen erhielten völlig freie Hand. Nur sie hatten die Kontrolle darüber, wer das Areal betreten durfte. Billige Trägerraketen seien das Ziel, beteuerten die Otrag-Mannen. US-Geheimdienstler hingegen waren besorgt, die alemannischen Raketen könnten atomare oder chemische Waffen transportieren. Der internationale diplomatische Druck wurde schließlich so groß, daß die Deutschen 1979 von Zaire nach Libyen zogen. Das machte es nicht besser; auch die Libyen-connection wurde gestoppt. Doch von Sardinien, Frankreich, Liechtenstein und Österreich hätten Deckfirmen das Libyen-Geschäft weiterbetrieben, schreibt Timmerman. Ingenieure der Otrag hätten auch Argentinien geholfen, ein Raketentestgelände zu entwickeln, wußte DER SPIEGEL. Der zitierte Kanzler Helmut Schmidt mit den Worten, er wünsche sich die Otrag zum Teufel.
Trotz alledem zeigte Spiegel Geschichte vergangenen Freitag den Film "Fly rocket fly", als ob das Verlagshaus, eigentlich bekannt für seine investigativen Beiträge, im Nachhinein Gegendarstellungen senden würde über die Flick-Affäre oder den Skandal um die Neue Heimat.
Zuvor hatten bereits der Deutsch-Französische Kulturkanal Arte und die Dritten Programme der ARD gleich zwei Filme ausgestrahlt über die Gebahren der Otrag: „Fly rocket fly“ und „Deutsche Raketen für Gaddafi“. Keiner der Vorwürfe, die US-Experten und das Simon Wiesenthal Zentrum erhoben hatten, kommen in den Filmen vor. Stattdessen darf der Gründer Otrag schwadronieren, Afrikanische und Russische Kreise hätten gegen ihn gearbeitet. Er habe gewissermaßen das erste deutsche „start up“ gegründet und sei Pionier der deutschen Luft- und Raumfahrt. SPIEGEL Recherchen kommen ebenso wenig vor wie die New York Times. Die Feature sehen aus, als ob es sich um Industrie-Werbefilme handelte. Die Optik der Dokumentarfilme sehen aus, als ob sich die Filmemacher über Stunden hätten bedienen dürfen im privaten Filmarchiv der Kayser-Leute. Die hatten jeden Schritt mit ihren eigenen Kameras festgehalten. Das Material zeigt, wie Otrag in Zaire auf einem Fels-Plateau quasi ihren eigenen Staat errichten durften, abgeschirmt vom Rest der Welt wie eine Basis des James Bond-Gegenspielers Blofeld. Dort gaben die Raketenbauer dem Affen nicht Zucker, sondern Schimpansen Zigaretten zum Rauchen. Eine eigene Fluglinie brachte alles auf die Landinsel. Der Gründer des Ganzen zeigt sich auf der Tropeninsel Bikendrik Island. Nach den Dreharbeiten starb Kayser.