Selten hat eine Regierung so nah an der Wand geschaukelt – und irgendwie scheint die Schaukel der aktuellen Bundesregierung so nah an der Wand zu stehen, daß sie bei jedem Vorschaukeln an die Wand kracht.
Jahrzehnte lang war nach dem 2. Weltkrieg die Politik auf eine möglichst wonneproppernde Wirtschaft und Arbeitsplätze bemüht. Nach der Wende hat insbesondere der Handel mit den ehemaligen Ostblockstaaten im Osten Deutschlands Arbeitsplätze geschaffen.
Das ist plötzlich alles nichts mehr wert. Die Kabinettsmitglieder und Fraktionen überschlagen sich mit „ich distanziere mich!“, am besten schon heute von ihrer Politik, wenn sie der Wirtschaft gegen die Wand gefahren haben. Und Schuld(en) haben immer andere.
https://www.spiegel.de/kultur/rechtskultur-distanz-wenn-ich-bitten-darf-kolumne-a-066d5b3c-6389-45c8-87b4-ad9499aeb836
Die Ölpreiskrise 1973 entstand nicht in eigener Verantwortung der Bundesregierung, sondern durch ein Ölembargo, an dem Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teilnahmen.
Immerhin hat sich die Bundesregierung damals zum Tempolimit (100 auf Autobahnen, 80 auf der Landstraße) durchgerungen.
Schon damals konnte man lesen, daß die Chemieindustrie der DDR in den 1970ern vom preisgünstigen Zwischenhandel mit Rohöl und davon abgeleiteten Chemierohstoffen profitierte und dies unzweifelhaft ein Wettbewerbsvorteil darstellt.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lpreiskrise
Noch nie war eine Bundesregierung – volkswirtschaftlich gesehen – so talentfrei, um sich moralisch von allen Errungenschaften der vergangenen 50 Jahre zu distanzieren und damit sich und seiner Wirtschaft den Öl- und Gashahn selbst zuzudrehen – koste es, was es wolle!
LNG-Terminal hammer nich? – dann bauen wir schnell was in der Nordsee. Umweltschutz? Wattenmeer? Scheiß drauf.
Atomkraft – nein danke? Ach, wir meinen: Ja, bitte! Oftmals wurden anstelle der alten Meiler zur Grundversorgung Gaskraftwerke gebaut (günstig, umweltverträglich). Äh, leider ist Gas so teuer geworden, daher brauchen wir Kohle- und Atomstrom. Der Steuerzahler richtet’s.
Diese Maßnahmen führen bestenfalls dazu, daß sich Firmen in Fernost angesichts des Gasimports aus Rußland zu Rabattpreisen und des dabei entstehenden Wettbewerbsvorteils kaputtlachen. China hat immerhin eines gemacht: sich den Zugriff auf die wichtigen Rohstoffe zu sichern.
Derweil hat die Bundesregierung nichts anderes parat, um für die galoppierende Inflation den Krieg verantwortlich zu machen. Volkswirtschaftler sehen das differenzierter: die jahrzehntelange Geldschwemme der EZB mit Nullzinsen und unbegrenzten Ankäufen (fauler) Anleihen, die eigene expansive Schuldenpolitik (750 Milliarden Euro bei der EU hier, 100 Milliarden für die Bundeswehr dort, frühzeitige Abschaffung der EEG-Umlage, Reduzierung der Energiesteuer für Benzin und Diesel usw. usf.), oder die unbegrenzte Spekulation auf den US-Börsen auf Energie, Rohstoffe und Grundnahrungsmittel (Getreide, Reis, Mais) – das sind die Hauptursachen für die aktuelle Inflation.
Die Inflation als erster Ausläufer eines schweren Tiefdruckgebiets infolge der hirnlosen Moralkeule ist leider das einzige, was ich von Scholz’ „Zeitenwende“ bisher gesehen habe.
Diplomatie? Eigenständige politische Ziele zum Wohle von Land und Wirtschaft? Oder gar Vertretung dieser nach außen hin? – Fehlanzeige.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.06.2022 06:24).