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780 Beiträge seit 05.09.2018

Re: Ein Argument der Fassadendemokraten

Als Trump am Wahlabend die falsche Rede hielt,

Das ist eine sehr wohlwollende Umschreibung für "der Präsident hat sachlich falsche Aussagen gemacht ohne irgendwelche Beweise dafür zu haben. Aussagen, welche die Integrität der Wahlen und des Wahlsystems untergraben und das Potential haben Aufruhr und Gewalt in der Bevölkerung zu provozieren, bei der auch Menschen ums Leben kommen können". So wie es sich später dann auch herausgestellt hat - siehe die Toten beim Sturm aufs Kapitol.

Es gibt sinnvolle Grenzen der Redefreiheit. Redefreiheit hat nicht nur positive Wirkungen, sie hat auch ihre Schattenseiten. Dem wird Rechnung getragen, indem die Redefreiheit eingeschränkt wird. Z.B. kann ich belangt werden, wenn ich folgendes mache:

- Öffentliche Aufforderung zu Straftaten [1]
- Volksverhetzung [2]
- Üble Nachrede [3]

Bist du der Meinung, dass das sinnvolle Gesetze sind, oder würdest du diese abschaffen, hättest du die Befugnis dazu?

...brachen die TV-Sender die Übertragung ab.

Das ist in dieser allgemeinen Form nicht richtig. ABC, CBS und NBC haben die Übertragung abgebrochen. MSNBC, Fox News und CNN z.B. haben die Übertragung nicht abgebrochen.

Des weiteren muss man dazu auch noch den Kontext beachten. Trump hatte seit Monaten Lügen verbreitet, so z.B. seine Aussagen, die in etwa so lauteten: Entweder ich gewinne die Wahl oder es liegt Wahlbetrug vor, andere Möglichkeiten gibt es nicht.

Hier wurde nicht einfach irgendeine Aussage von Trump nicht weiter verbreitet, weil die Verantwortlichen der Sender eine andere Ansicht hatten, sondern weil Trumps Falschaussagen sehr gefährlich waren.

Ich weiss nicht, wie ich mich an dieser Stelle entschieden hätte. Vermutlich hätte ich als Verantwortlicher die Rede gesendet, allerdings den Kommentator angewiesen, dass er die Rede entsprechend kommentieren soll. Dass er darauf hinweisen soll, dass Trump gerade Aussagen macht, die durch nichts belegt sind, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass das, was er behauptet, wahr ist. Und jeder solle erst einmal die Wahlergebnisse abwarten. Ich werfe es allerdings den Sendern, welche die Rede nicht weiter übertragen haben, nicht vor, denn ich bin mir selbst unsicher, wie ich mich in dieser Situation hätte verhalten sollen.

Als er zu Twitter wechselte, wurde er auf Twitter gesperrt.
Facebook zog nach. Youtube auch.

Hier ist der Youtube-Kanal von Trump [4] und hier sein Facebook-Account [5]. Soweit ich weiss, gibt es diesbezüglich nur eine vorübergehende Sperre. Um zu verhindern, dass Trump in der Übergangszeit Trump-Biden noch mehr Leute zur Gewalt, Revolten aufstachelt. Auch das halte ich in Anbetracht dessen, was er getan hat (Leute aufhetzen, die dann z.B. das Kapitol stürmen) für eine angemessene Handlung.

Das sind Effekte, die man aus Diktaturen kennt, wenn die Junta Militär in die Redaktion schickt und den Saft abstellt.

Ja, wenn Privatunternehmen sich weigern, die gefährlichen Lügen eines Präsidenten zu verbreiten, dann ist das genau dasselbe, als wenn eine "Junta" Militär in Redaktionen schickt.....und wenn ein Mädchen mal einen Geburtstag nicht mit ihren Freunden feiern kann, dann ist das vergleichbar mit dem Schicksal von Anne Frank.....schön, dass wir alle die Kirche im Dorf lassen.

Wie ich weiter oben geschrieben habe, Redefreiheit hat nicht nur positive sondern auch negative Seiten. Die negativen Seiten sehen wir z.B. im Falle von "Pizzagate" - eine hanebüchene Verschwörungstheorie führte dazu, dass jemand auf eine Pizzeria feuerte, weil er tatsächlich glaubte, dass im Keller der kellerlosen Pizzeria Kinder vergewaltigt werden.

Oder wir sehen sie daran, dass viele Trump Fans unverrückbar daran glauben, dass die Wahl gestohlen wurde, selbst wenn das Trump Team bis heute noch keine Beweise vor Gericht dafür vorlegen konnte.

Wir sehen das an den Recherchearbeiten von Patrik Hermannson, einem mutigen Journalisten, der sich in ein rechtsextremes Netzwerk einschleuste und das ganze undercover filmte [6]. Nachdem er sich in dem Netzwerk (London Forum) etabliert hatte, wurde ihm die Aufgabe zugeteilt am "screening process" für Bewerber teilzunehmen (siehe am Zeitindex 17:00). Als die Bewerber gefragt wurden, wieso sie sich erst jetzt meldeten und nicht bereits vor 5 Jahren, sagten sie ganz offen: Wegen Trump! Trumps Wahl zum Präsidenten hat uns gezeigt, dass seine/unsere Ideen nun salonfähig geworden sind.

Redefreiheit erlaubt es auch Vereinen wie dem Heartland Institute, dem committee for a constructive tomorrow und ihrem deutschen Sprössling EIKE und daran angeschlossen der AfD das Verbreiten von Lügen über den Klimawandel - alles gesponsort von der Fossilindustrie, z.B. den Koch Brothers. Und wir alle werden die Folgen davon ausbaden müssen. Denn dadurch wird ein politisches Engagement gegen den Klimawandel ausgebremst.

Das sind nur ein paar Beispiele. Wie gehst du damit um? Wie berücksichtigst du die Schattenseiten der Redefreiheit? Spielen diese Schattenseiten irgendeine Rolle für dich, wenn du entscheidest, wie weit Redefreiheit gehen sollte? Wenn ja, könntest du mir erklären, inwieweit? Welche Grenzen würdest du der Redefreiheit setzen?

Wir haben also auf der einen Seite die Gefahr von zu wenig Redefreiheit, welche totalitäre Systeme begünstigt, Dogmatismus, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt hemmt. Und auf der anderen Seite haben wir eine ungehemmte Redefreiheit, welche die Verbreitung von gefährlichen Ideen und Ideologien begünstigt und dem damit einhergehenden Leid. Ich sehe nicht, dass eine der beiden Extremseiten erstrebenswert ist. Wir müsse also irgendeine Balance finden - die Frage ist lediglich, wie diese auszusehen hat.

[1] https://dejure.org/gesetze/StGB/111.html
[2] https://www.juraforum.de/lexikon/volksverhetzung
[3] https://dejure.org/gesetze/StGB/186.html
[4] https://www.youtube.com/Donaldtrump/videos
[5] https://www.facebook.com/DonaldTrump
[6] https://www.youtube.com/watch?v=IjQaumqxjdg

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (18.01.2021 18:53).

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