Zum ersten: Fakten sind wertneutral. Eine Wertung geschieht erst, indem
der Betrachter Fakten miteinander vergleicht und
Schlußfolgerungen daraus zieht. Manchmal die richtigen, manchmal
(wie in Deinem Fall) die falschen. Weil er entweder Denkfehler begeht,
oder weil er die Fakten dazu benutzen will, ein in seinem Kopf bereits
vorhandenes Werturteil zu bekräftigen. Letzteres scheint bei Dir
der Fall zu sein.
Es kommt noch etwas anders hinzu: Wie hat der Verfasser der Statistik
erstellt? Hat er unter der Rubrik "Auf Täter feuernde
Zivilisten" sämtliche Zivilisten berücksichtigt? (Wenn
ja: Viele Zivilisten üben ja tagsüber einen Beruf aus und
werden erst zum Feierabend zu "Zivilisten". Das gilt
natürlich auch für Polizisten. Hat er das
berücksichtigt?) Oder hat er sich nur auf Zivilisten bezogen, die
im (legalen) Besitz einer Schußwaffe sind? Hat er bestimmte
Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen oder besonders betrachtet? Und
vor allem - hat er das nachvollziehbar offengelegt?
Solange ich das nicht genau weiß, kann ich mit dem, was Du
"Fakten" nennst, überhaupt nichts anfangen. Denn genauer
betrachtet ist eine Statistik kein Fakt im eingangs beschriebenen
Sinne. Sie ist vielmehr eine Sammlung von Fakten, die bereits eine
subjektive Berarbeitung durch den Statistiker hinter sich haben.
Wenn Du schreibst (durch Zahlen belegt), daß es x-mal
unwahrscheinlicher ist, von einem Zivilisten angeschossen zu werden als
von einem Polizisten, ist daran erst einmal nichts Auffälliges zu
entdecken, abgesehen von dem flauen Gefühl, irgendetwas könne
an dieser Aussage doch nicht stimmen. Ansonsten sollte man ja (eine der
möglichen Schlußfolgerungen) den Polizisten das Tragen von
Waffen verbieten, oder (weiterer möglicher Schluß) man
könne ja mehr Zivilisten das Tragen von Waffen erlauben.
Irgendwie krumm, diese "Logik", nicht wahr?
Noch deutlicher wird der Widerspruch, wenn ich mit Hilfe Deiner
Methode, Statistik auszuwerten und ein Werturteil abzugeben,
folgendermaßen verfahre:
Ich ermittle die Zahl der Zivilisten, die jemals bei einem
Zugunglück im Führerstand gesessen haben. Dann die Zahl der
Lokführer, für die dasselbe zutrifft. Das erschreckende
Ergebnis lautet: Es ist y-mal wahrscheinlicher, durch einen zivilen
Lokführer in einen Unfall verwickelt zu werden. als wenn ein
Bediensteter der Bahn im Führerstand sitzt! Also weg mit den
Lokführern; jedem Zivilisten sein eigener Zug - und schon wird
Bahnfahren wieder sicherer!
Du wirst sofort den Einwand bringen, daß der Vergleich hinkt,
denn es ist ja Aufgabe des Lokführers, den Zug zu fahren,
wohingegen Zivilisten nur selten eine Lok besteigen und fahren.
Aber ich habe doch eindeutig Fakten erbracht!
Jetzt kommen wir zurück zu Deiner Schußwaffen-Statistik. Du
hast eine ganz entscheidende Statistik entweder übersehen oder
unterschlagen: Wie häufig wird der durchschnittliche Zivilist in
seinem Leben mit einem bewaffneten Verbrecher konfrontiert, und wie
häufig ein Polizist im Durchschnitt?
Wenn Du diese Zahlen hast, versuche Dich noch einmal an einer Bewertung
- möglicherweise erscheint die Sache dann in einem völlig
anderen Kontext.