Die Schulen sind natürlich nur Abbild der Gesellschaft. Wenn
Schüler ihre Mitschüler so sehr fertigmachen, also wirklich
*fertigmachen*, daß diese keinen anderen Ausweg mehr sehen als
sich auf diese Weise zu rächen, dann scheint tatsächlich
keine Kommunikation mehr zu existieren, von oder Prävention
ausgehen könnte.
Bush hat erstaunlicherweise ja recht, wenn er den Täter als feige
bezeichnet. Wie geht der 'Truism'?: "Hinter jeder Waffe steckt ein
Feigling." Die school-shooting-Täter müssen so
eingeschüchtert und fertiggemacht worden sein, daß sie nicht
mal 'mutig' genug waren, zur Beratungstelle zu gehen oder sich an sonst
jemanden zu wenden. Dieser Kampf jeder-gegen-jeden, wo die Hauptsache
ist, daß man die Lacher seiner Seite hat, scheint mir das zu
sein, was das eigentliche Problem ist. It's capitalism, stupid!
Dagegen vorzugehen, ist vielleicht unmöglich. Selbst wenn wir von
heute auf morgen das Paradies auf Erden schaffen, so sind doch diese
Strukturen schon so fest in unseren Köpfen verankert, daß
selbst meine Urenkel, die *nie* in dieser Gesellschaft gelebt haben,
noch immer alle auf *Wettbewerb* ausgerichtet sind. Veränderungen
brauchen viel, viel Zeit, denke ich. Aber es fängt bei jedem
einzelnen an, vielleicht...
In den school-shootings kommen irgendwie alle 'Konflikte' der
Gesellschaft zusammen, darum ist es so schön, sich mit ihnen zu
beschäftigen. [Neben den vielen Anekdoten, die man erzählen
kann: wußtet ihr, daß die Columbine-Jungs, bevor sie zur
Schule fuhren und dort ihre Träume verwirklichten, direkt davor,
sich vier Stunden zusammen hinsetzten und ein letztes Mal ihre
Phantasien, Pläne und Taktiken durchsprachen? Und alles auf noch
auf Video aufnahmen? Und, obwohl sowas ja, psychoanalytisch gesprochen,
alleine schon eine gewisse Genugtuung und Triebbefriedigung darstellt,
noch immer zur Schule fuhren und es machten? Wahnsinn! Wie fertig
mußten diese Jungs gewesen sein (und psychisch ziemlich
gestört...)!]
Dagegen hilft nur im ersten Moment, europäische Verhältnisse
bei den Waffengesetzen zu schaffen. Aber wer das behauptet, versteht
einfach die ganze amerikanische Gesellschaft nicht. Wie sagte ein *ganz
normaler* Bekannter völlig unironisch mit einem gehetzten Blick:
"Dann könnten ja unsere Politiker machen, was sie
wollten!!!" Feigling...
Die Waffenlobby verbreitet, ebenfalls (tod)ernst, die Meinung, "An
armed society is a polite society." Ist natürlich falsch,
denn wenn man allen Leuten Waffen in die Hand gibt, sind sie nicht mehr
oder weniger höflich, sondern in erster Linie bewaffnet. Und da
kommt dann wieder der kapitalistische Leistungsdruck dazu, Stress,
Stress, Stress. Wir alle haben nicht nur unsere schlechten Tage,
sondern - anders als wir uns das selbst in unseren Medieninhalten immer
wieder anschauen [Mythos, Wunschdenken?] - wir sind alle ziemlich
gemein und durch oben genanntes Denken geprägt. Da gibt es kein
Gut und kein Böse, kein Schwarz und Weiß, sondern
hauptsächlich ein ziemlich trübes Dunkelgrau mit einigen
mittelgrauen Stellen.
In der Kette der Unmenschlichkeiten gehen auch nur die schwächsten
Glieder kaputt und nur ein Bruchteil davon kann die Apathie
überwinden und für einen kurzen Moment *den Anderen* das
antun, was sie selbst jahrelang empfunden haben. Jedes Jahr gibt es
AFAIK ca. 30.000 Selbstmorde in Deutschland (nach Presseberichten
allein 3-4 jeden Tag an den Gleisanlagen der Deutschen Bahn). Das
muß man sich doch vorstellen! 30.000! Jeder spielt wohl mal hin
und wieder mit *dem Gedanken*, aber daß soviele....
Letzlich führt also eine striktere Waffengesetzgebung nur zu einer
gewissen Verlagerung des Problems, aber nicht zur Lösung des
Ganzen. Das Leiden und die Unmenschlichkeit in der Gesellschaft
würde nicht ab-, sondern eher zumehmen, mit dem Unterschied,
daß man andere nicht mehr so gut daran teilhaben lassen
könnte. Jeder stirbt dann wirklich für sich allein.
Vielleicht haben school-shootings daher auch ihren positiven Aspekt.
Einem Selbstmörder mag es im Grunde egal sein, ob er noch andere
Leute 'mitnimmt'. Je mehr sich dieser Amok-Kultur anschließen, je
mehr sind die Leute gezwungen, mal über *die wahren Ursachen*
nachzudenken. Oder nicht.
Die größte Utopie, eine vollkommen gerechte, egalitäre
und 'menschliche' Gesellschaft zu begründen. scheint heute nicht
mehr so zu gelten. Menschliche Natur heißt heute, definiert nach
Kapitalismus 2.0, jeder ist sich selbst der nächste - auf globaler
Ebene und egal wie. Selbst wenn wir dies persönlich vielleicht
nicht *glauben*, diese Definition hat alles andere geschlagen und ist
irgendwo in unseren Köpfen drin.
Wir jammern und klagen über alles - unsere Arbeit, unsere
Politiker, unsere Beziehungen und unser Essen. Etwas ändern? Es
gibt keinen Gegenentwurf mehr, die Utopie des Kapitalismus war einfach
besser und der Weg dorthin ist dazu auch noch schöner, denn hier
kann man sich in der Zwischenzeit ja etwas leisten. Jeder hat dazu
dieselben Chancen - wir sind doch alle gleich, nicht wahr? Und
eigentlich war es das doch, was wir wollten, einfach ein schönes
Leben führen. Das höchste Stadium der Zivilisation ist der
'Freie Markt'. Alles wird besser. Hoffentlich nicht.
<PRE> Wir sehen uns an der Arbeit.</PRE>