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  • pehar

mehr als 1000 Beiträge seit 21.09.2016

Community-Neusprech für Kapitalismus

Schon geil, wie der nackte Kapitalismus mit pseudo-gemeinschaftsnützlichen Begriffen aufgeblasen wird, damit die Kunden glauben, sie würden sich gegenseitig was Gutes tun und die Gesellschaft voranbringen, während sie in Wirklichkeit einfach nur überteuerte Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Mietwagen-Firmen sozialisieren die Kosten der Parkplätze, optimieren die Ausnutzung ihrer Fahrzeugflotte, sparen sich die Reinigung vor Neuvermietung und verlangen trotzdem ein Vielfaches der üblichen Mietpreise - und die Kunden finden es geil, weil es neudeutsch "Car Sharing" heißt.

Das, was früher mal ein Taxi-Unternehmen gewesen wäre, scheißt auf Arbeitsschutz, lagert jedes Risiko komplett auf den Fahrer aus, ignoriert alle gewerbeüblichen Vorgaben und wird gefeiert, weil man es der behäbigen Taxi-Branche mal so richtig gezeigt hat, diesen Idioten, die von ihrem Gehalt leben wollen.

Während Hotels sich mit unbequemen Vorschriften zu Brandschutz, Bebauungplänen und nicht zuletzt Steuern herumschlagen müssen, vermieten Privatleute einfach ihre Wohnungen, während sie nicht zu Hause sind - teilweise dann eben 365 Tage im Jahr. Reguläre Mieter finden keine Wohnungen mehr, aber der Vermittler macht seinen Schnitt.

Höchste Zeit also, das Konzept "Wohngemeinschaft" mit einem neuen Begriff zu belegen, um Wohnungen noch etwas teurer zu vermieten, als man es normalerweise könnte. "Co-Living" klingt doch viel weniger danach, dass hier Vermieter, die sonst illegalen Immigranten Einzelbetten in überbelegten Abbruchhäusern vermieten würden, neue Zielgruppen erschließen. Schönere Häuser - höhere Preise - gleiches Konzept.

All die Kunden, die so bereitwillig den alten Produkten in neuer Verpackung hinterherlaufen, glauben fest daran, Teil einer Bewegung zu sein, die die Gesellschaft von morgen bildet. Die Ironie ist, dass das sogar stimmt - allerdings ist es keine "Gemeinschaft", in der Dinge "geteilt" werden, sondern einfach der ganz gewöhnliche Kapitalismus, der immer neue Wege findet, vorhandene Ressourcen zum Höchstpreis zu verkaufen, um viele etwas ärmer und wenige sehr viel reicher zu machen.

So gehen die Kapitalismus-Kritiker dem System in die Falle und merken es nicht mal.

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