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  • Raumflieger

365 Beiträge seit 12.08.2024

Kleine Reichweiten-Analyse

Die große Frage ist, warum aktuell Axt angelegt wird an der Demokratie durch jene, die vorgeben sie verteidigen zu wollen.

Wie groß ist die Reichweite des Compact-Magazins? Ich meine, die Zahl "40.000" gelesen zu haben. Ich bleibe auch mal bei der Zahl für den Rest des Beitrags.
Zum Vergleich: die BILD wurde mal von fast 6M Menschen gelesen und das Blatt bedient gern mal rechtslastige Vorurteile. Inzwischen ist die Auflage bei rund 1M Zeitungen angelangt, das ist trotzdem noch 20x so viel Reichweite wie Compact. Zumal der Verlust sich vielfach erklären lässt, dass man sich ja auch im Internet aus verschiedenen Quellen kostengünstig oder kostenlos informieren kann.

40.000 Compact-Magazine, das ist keine besonders große Reichweite. Die als "gesichert Rechtsextremen" definierte Menschengruppe laut Verfassungsschutz beträgt etwa 14.000 - 14.500 Menschen. Das sind zwar eine Menge - aber irgendwie doch nur etwa ein Drittel der Leserschaft, die das Compact-Magazin erreicht. Deckungsgleich wird es erst, wenn man auch noch das "rechtsextreme Personalpotential" mit einbezieht.

Quelle: https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/rechtsextremismus/zahlen-und-fakten/zahlen-und-fakten_node.html

Die Demokratie sehe ich nicht in Gefahr wegen 40.000 - 50.000 Rechtsextremen bzw. "potentiell Rechtsextremen". Das sind gerademal 0,05% Bevölkerungsanteil. Gewaltbereitschaft ist ein anderes Thema und beschäftigt Polizei und Justiz, ist aber eher ein regional beschränktes Problem.

Vielleicht schenke ich ja den offiziellen Zahlen auch zu viel Glauben und meine Interpretation stimmt nicht. Vielleicht sollte ich den Blickwinkel leicht ändern und die Leserschaft des Magazins nicht politisch fix bei den Rechtsextremen verorten.

Ich schätze den Einfluss des Compact-Magazins auf die Gesellschaft für "marginal" bis "nicht vorhanden" ein. Eine gefährliche Auswirkung auf die Demokratie dieses Landes kann also gar nicht bestehen, selbst dann nicht, wenn sich alle 40.000 Leser (m/w) organisieren würden, um bei der gleichen Partei ihr Kreuz zu machen. Dazu mal das Zahlenspiel:
Wenn man den logisch fehlerhaften Schluss zieht, dass jeder Compact-Leser auch zugleich ein AfD-Wähler ist, dann wirken die sich aber nicht nennenswert aus.
Die letzte Europawahl sei da exemplarisch herangezogen. Diese kann als Stimmungstest für die nächste Bundestagswahl verstanden werden, weil die gesamte Bundesrepublik zur Wahl aufgerufen worden ist und die Wahlergebnisse nicht aufgrund landespolitischer Besonderheiten verfälscht worden sind.

Die AfD wurde demnach von 6.325.890 Menschen gewählt (Stimmanteil 15,9%). Wenn alle rund 40.000 Compact-Leser auch AfD-Wähler sind, ziehen wir die mal ab und kommen auf ca. 6.285.890 Wähler. Das sind 99,37% und hätten sich demnach gar nicht ausgewirkt auf das Wahlergebnis.

Selbst wenn wir dem Compact-Magazin eine zehnfach höhere Reichweite einräumen würden als die Auflagenzahl annehmen lässt und noch immer festlegen, jeder Compact-Leser wählt die AfD, dann landen wir eben bei 93,68% Wählerschaft. Klar, das wirkt sich auf das Gesamtergebnis aus, aus 15,9% wären dann halt 14,9% geworden, ein ganzer Prozentpunkt weniger also. Aber für diese Zahlenspielerei muss man schon arg in die Trickkiste greifen.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Europawahl_in_Deutschland_2024#Ergebnis

Natürlich könnte man noch vermuten, dass 40.000 Menschen sich theoretisch "aufhetzen" lassen könnten. Ein Vorwurf an das Compact-Magazin ist ja der "volksverhetzende Charakter". Das könnte man zwar grundsätzlich auch gewissen anderen Publikationen unterstellen, die sind aber eben nicht ins Fadenkreuz der Bundesinnenministerin geraten. Wenn also was dran ist und sich die Rezipienten des Compact-Magazins aufhetzen lassen, um z.B. einen "Putsch" zu organisieren, dann könnte man durchaus von einer Gefahr für die Demokratie sprechen. Allerdings muss man auch hier wieder tief in die Trickkiste greifen, um solch eine Gefahr zu konstruieren. Den Reichweitenmultiplikator (x 10) lasse ich aus dem Grund auch weg, zumal ja bereits die Zahl "gewaltbereiter Rechtsextremisten" durch den Verfassungsschutz mit rund 15.000 angegeben wird.

Jetzt könnte ich aber mal ins Internet schauen. Manche Influencerin hat mehr Reichweite mit Koch- und Backtipps für die Hausfrau, mancher DIY-Bastler hat mehr Abonnenten als das Compact-Magazin Gesamtauflage im Jahr. Ich nehme bevorzugt natürlich jetzt nur deutschsprachige Influencer & Influencerinnen als Ausgangspunkt.
Youtube ist zwar nicht politisch neutral, trotzdem gelingt es genügend Content Creators, ihre politische Agenda auch rechts der Mitte gezielt zu platzieren. Manchmal wird das auch als "Geschichtsdokumentation" versteckt. Da sehe ich deutlich mehr Reichweitenpotential. Auch abseits von Youtube finden sich politisch liberalere Plattformen zur Publikation von politischen Inhalten aller Art, auch im extremistischen Spektrum. Auch hier ist bei rein deutschsprachigen Angeboten die Reichweite größer als des Compact-Magazins!

Also nehmt's mir nicht übel, wenn ich nach der kurzen Analyse der Auffassung bin, dass man mit dem Verbot des Compact-Magazins viel stärker Axt angelegt hat an unserer Demokratie (nämlich das Aussetzen der Gewaltenteilung für diesen Akt: die Innenministerin entschied selbst, ein gerichtliches Verbot infolge einer Klage lag also gar nicht vor), als die fortgesetzte Publikation des Compact-Magazins.

Am Ende bleibt zu sagen: Alles für nix, dazu auch noch Streisand-Effekt.

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