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  • Emrymer

mehr als 1000 Beiträge seit 28.08.2020

Das Problem der Linguistik ist, daß man sie erst verstehen müsste

Aussagen sind wahr oder falsch.

Das trifft für manche zu und für andere nicht. Oder wie würden Sie den Wahrheitsgehalt der folgenden Aussagen bestimmen wollen?
- "Ob wer denn wohl frei sei."
- "Wir fassen jetzt den Ausdruck '(n+a)*(b-xy)' zu 'g' zusammen."
- "Ach je!"
- "Wenn du das doch mal begreifen würdest."
- "'Nun' ist 'jetzt'."
- "Mach jetzt aber mal hin!"
- "Wir bräuchten dann kein Brot mehr."

x = n * m kann wahr sein oder falsch sein. Mehr noch: für verschiedene Werte von x, n und m kann es fallsweise falsch oder richtig sein. Eine legitime Festlegung "x sei n * m" wiederum kann nicht falsch sein, da es sich um eine legitime Festlegung handelt.

Können wir uns darauf einigen, dass Propositionen entweder wahr oder falsch sind?


Dazu wäre es nötig, genauer darzulegen, welches Verständnis von "Proposition" Sie zugrundelegen.
http://www.ub.edu/grc_logos/files/user126/1430653038-PropositionenFinal.pdf
https://www.dwds.de/wb/Proposition
https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/proposition/11926
https://grammis.ids-mannheim.de/terms/view/698
https://de.wikipedia.org/wiki/Proposition_(Psychologie)
https://de.wikipedia.org/wiki/Proposition_(Linguistik)
https://de.wiktionary.org/wiki/Proposition

Es macht keinen Sinn, mit jemand zu diskutieren, der nicht versteht, dass die Negation einer wahren Proposition immer flasch sein muss und umgekehrt.

Zitat aus dem Wikipedia-Artikel Proposition_(Linguistik):

Die Proposition: {<Karl> [Tür öffnen]} ist identisch in den Sätzen: „Karl öffnet die Tür. – Karl öffnet nicht die Tür. – Die Tür wird von Karl geöffnet. – Öffnet Karl die Tür? – Karl, öffne die Tür! – Wenn Karl doch die Tür öffnete! – Wenn Karl die Tür öffnet, […].“

Man beachte auch im Wiktionary die Beispiele 2 und 3.

Die Proposition selbst ist demnach identisch für einen Satz mit oder ohne ein "nicht", für "etwas und sein Gegenteil", und sogar für Sätze, für die die Bestimmung eines Wahrheitsgehalts nicht anwendbar ist (Frage- und Konditionalsatz). Also ist die Proposition selbst invariant bezüglich des Wahrheitsgehalts - auch wenn zutrifft, dass Propositionen sich teils auf etwas beziehen können, für das eine Wahrheitsbestimmung ("ein Element der Menge (wahr, falsch)") möglich ist.

Das heißt nicht, daß man nicht darüber reden könnte, ob Karl die Tür nun öffnet oder nicht.
Wenn die Tür beispielsweise mit einer Sicherheitskette versehen ist und Karl zunächst nur den von der Kette erlaubten Spalt öffnet - dann ist die Tür "offen" im Sinne des technischen Vorgangs, aber "nicht offen" im Sinne von "erlaubt ein Betreten des Bereichs hinter der Tür". Je nach sprachlichem Kontext kann die Aussage also selbst bezüglich desselben Vorgangs wahr oder falsch sein: wenn Karl dem, der auf der anderen Seite war, die Tür wieder vor der Nase zugemacht hat, hatte er sie sozial nicht geöffnet, wiewohl sie technisch gesehen einen Moment lang einen Spalt offen war.
Man kann an die Situation also sehr wohl mit Erwägungen mathematischer Logik herangehen, sowohl an die technische wie die soziale. Man kommt aber kontextabhängig zu unterschiedlichen Wahrheitswerten, ohne daß beim Vorgang ein Fehler vorläge. Beide Wahrheitswerte sind für sich richtig, dennoch zueinander konträr.

Es wäre eine unzulässige Vereinfachung, einen der Kontexte für nichtig zu erklären, um diese Situation zu lösen. Das ist die Strategie der Vereinfacher und Spalter: sie versuchen zu negieren, daß es den ihnen nicht genehmen Kontext überhaupt gäbe.
Der Wirklichkeit wird das nicht gerecht. Und Probleme schafft es mehr, als das es löst.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.05.2024 12:14).

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