... würde der Autor mit gutem Gewissen mitfliegen?
So ein Flugzeug ist ja eine komplizierte Angelegenheit. Zwar nutzt die Menschheit schon des längeren das Flugzeug und hat durch viel Trial'n'Error gelernt, die Dinge so zu bauen, dass sie das sicherste Verkehrsmittel der Welt sind (gemessen am Verhältnis aus Todeszahlen und absolvierter Kilometerleistung), trotzdem dauert auch heute noch die Entwicklung mehrere Jahre. Kein Ingenieursteam ist in der Lage, innerhalb von drei Monaten von Projektstart bis Markteinführung ein Flugzeug zu entwerfen, was den Vorschriften entspricht oder unser Bedürfnis nach Sicherheit erfüllt.
Impfstoffe sind keine Flugzeuge, trotzdem ist das Problem ähnlich gelagert. Die Menschheit impft seit geraumer Zeit und rein zufällig deckt sich die Ära schulmedizinischer Impfung mit der des Fliegens. Zwar wurde schon im Nahen Osten im Mittelalter geimpft, doch nicht auf dem modernen Niveau, wie wir es seit einiger Zeit kennen. Das Vertrauen in die Wirksamkeit der Impfungen ist so hoch, dass ein Hinterfragen fast als Sakrileg begriffen wird (dabei lebt die Wissenschaft von beständigem Zweifel an den Erkenntnissen zum Gewinn neuer Erkenntnisse). Es gilt grob: "Impfen hilft" und "Impfen schadet nicht". Und beides sind Dogmen, die sich bei strenger wissenschaftlicher Betrachtungsweise nicht halten lassen. Aber das sei hier nicht weiter thematisiert.
Impfungen werden seit ähnlich langer Zeit entwickelt und eingesetzt wie Flugzeuge. Und wie's der Zufall will, dauert eine ordentliche Impfstoffentwicklung mehrere Jahre, denn mit der Isolierung des Erregers und Zusammenstellung des Vakzins ist es nunmal nicht getan. In einen aufwendigen Prozess werden verschiedene Zusammensetzungen des Vakzins getestet, bis eines gefunden wurde mit der größten Wirksamkeit bei gleichzeitig geringstmöglichen Nebenwirkungen. Jedenfalls sollte das so sein, wenn man fest am Hippokratischen Eid festhält und den Patienten heilen und Schaden von ihm abwenden will.
Ein Flugzeug muss sicher starten, fliegen und landen können, auch in Notsituationen müssen Piloten noch eingreifen können, um die sichere Funktion so gut wie möglich zu gewährleisten. Die ganzen an Bord verbauten Redundanzsysteme haben nur die eine Aufgabe, im Falle eines Versagens der Primärsysteme das Flugzeug steuerfähig zu halten. Und Ausbildung und Erfahrung der Piloten können den Unterschied machen, ob ein in Havarie befindliches Flugzeug mit wenigen oder gar keinen Verlusten notgelandet werden kann, oder als Feuerball endet. All die Erfahrung aus anderthalb Jahrhunderten Flugmaschinenbau sind da drin vereint. Und die lässt sich nicht in drei Monaten in ein voll funktionsfähiges neues Flugzeugprojekt kondensieren.
Wenn ich mich nicht wohlfühle, in ein "Drei-Monate-Flugzeug" zu steigen, basiert letztlich anf den gleichen Bedenken, wieso ich einem in drei Monaten entwickelten Impfstoff nicht vertraue. All die Erfahrung aus der Impfmedizin lässt sich nicht auf wenige Monate Entwicklungszeit runterbrechen. Es müssen Studien angestellt werden, es muss sichergestellt sein, dass der Impfstoff wirkungsvoll ist (idealerweise als vollständige Immunität gegenüber dem Erreger) und gleichzeitig keine oder nur geringfügige Nebenwirkungen aufweist (kurzfristige Muskelschwellung an der Injektionsstelle ist okay, Beklemmungsgefühle im Herzen oder anaphylaktische Schocks sind nicht okay).
Und jetzt der böse Twist am Ende des Beitrags: mRNA-Impfstoffe sind NEU. Die wurden so noch nie am Menschen eingesetzt. Ich spreche hier von Flugzeugen und Impfstoffen, müsste aber den mRNA-Impfstoff mit Raumschiffen gleichsetzen. Da haben wir zwar auch ein bisschen Erfahrung und haben sogar schon mit Menschen gearbeitet, vom Massenspektakel sind wir aber weit entfernt. Weltraumtourismus existiert nur in SciFi-Romanen oder in Köpfen wie beispielweise Elon Musk. Wir sind trotzdem noch Jahrzehnte von einer kommerziellen Weltraumtouristik entfernt, so wir überhaupt jemals den Punkt erreichen. Und vielleicht ist das mit dem mRNA-Impfstoff genauso: die Theorie steht, die ersten Gehversuche laufen, aber vielleicht bekommt man die Technologie nie soweit in den Griff, als dass sie für den Masseneinsatz tauglich ist.
Und das ganze in drei Monaten? In drei Monaten vom Reißbrett zum Raumschiff, von der Idee zum mRNA-Vakzin?
Nein, das funktioniert nicht.
Ich frage mich, welche Naivität erforderlich ist, um selbst die im Gleichnis dargestellten Einwände wegwischen zu können. Wer in kein Flugzeug steigt, was im Turboverfahren entwickelt wurde, sollte sich auch nicht impfen lassen wollen mit einem Impfstoff, der mindestens zwölfmal schneller entwickelt wurde als üblich.
----
Vom Moderator auszufüllen:
[_] Darf stehen bleiben
[_] Ohne Bezug
[_] Trollwiese