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  • JulienAssa

mehr als 1000 Beiträge seit 23.10.2018

Re: Mission accomplished...

Emrymer schrieb am 10.04.2021 14:04:

Damit ist allerdings jedes Gespräch ein in sich irrationales Geschehen. Sprache ist fluide - jeder kann schließlich alles meinen.

Menschen desselben Sprachraums können nur deswegen miteinander kommunizieren, weil sie dieselbe Sprache sprechen. Durch Erlernen dieser Sprache haben sie unbewusst gewisse Übereinkünfte darüber getroffen, was mit welchem Wort ungefähr gemeint ist. Beim alltäglichen, allgemeinen Themen macht das auch kaum Probleme, man grüsst sich, redet übers Wetter, über das, was in der Zeitung stand und so fort. Bei spezielleren Themen, beim Reden über einzelne Fachgebiete treten dann Probleme auf, weil der Fachmann unter einem bestimmten Begriff womöglich was ganz anderes versteht als der Laie. Die Sprachen der einzelnen Wissenschaften sind durchsetzt mit Fremdwörtern und Begriffen, die im Alltag was ganz anderes bedeuten. Irrational ist daran nichts, es geht einfach darum, dass man vor einem Gespräch oder auch währenddessen auch über die verwendeten Begriffe reden muss. Das geht natürlich nur, wenn alle Gesprächsteilnehmer an einem echten Austausch interessiert sind und nicht, wie man es meistens sieht, am Rechthaben, Triumphieren, Dominieren, Herabsetzen und soweiter.

Weltreiche, die man auch Imperien nennt zerfallen meiner Meinung nach zum Glück, denn sie sind durchweg repressiv, sie können sich nur halten so lange sie das Volk und die Völker unterdrücken. Unterdrücken heisst, sie in ihrer eigentlichen, eigenen Entwicklung zu hemmen, damit sie nicht sich selbst, sondern dem Imperium dienen. Weltreiche zerfallen deshalb, weil die Leut nicht mehr an der Wirklichkeit, an der Realität ihrer biologischen, natürlichen, sie geistig und physisch ernährenden Umfelder dran sind. Sie werden durch die Unterdrückung mehr und mehr entfremdet, von sich selbst, von ihren Mitmenschen, von den lebensnotwendigen Dingen, und damit meine ich nicht nur gesunde Nahrung, sauberes Wasser und saubere Luft, sondern auch die lebensnotwendigen zwischenmenschlichen Voraussetzungen wie echte Gemeinschaft (statt fiktiver Gesellschaft, die ja sowieso nur eine verwaltete Zwangsgesellschaft ist, eine Herde, eine Ressource, die von den Mächtigen gemolken wird), gegenseitigem Vertrauen, Hilfsbereitschaft und so weiter. Die Menschen fühlen sich in den Megacities, in den Megagesellschaften mit ihrer zunehmenden Vereinzelung und der damit einhergehenden Feindseligkeit untereinander nicht wohl. Schon Sigmund Freud hat vom Unbehagen in der Kultur geschrieben. Und viele andere vor und nach ihm haben sich damit befasst und herausgefunden, dass das Leben in der Zivilisation nicht notwendig der natürlichen Lebensweise des Menschen entspricht und er deshalb beschnitten werden muß wie ein Obstbaum, damit der die richtigen Früchte trage und der Zivilisation mit ihren zahlreichen sozialen Anforderungen diene und nicht sich selbst. Man versteht das viellleicht erst, wenn man von Leuten liest, die eine Zeit lang bei friedlichen Naturvölkern verbracht haben, die abgeschirmt von der Zivilisation in ihrer ganz eigenen Welt leben. Das älteste mir bekannte Buch dazu ist von Bronislav Malinowski, Das Geschlechtsleben der Wilden. Es gibt auch neuere Bücher dazu, hab ich aber grad nicht zur Hand.

https://archive.org/details/DasUnbehagenInDerKultur/page/n3/mode/2up

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