Ich hatte das Urteil heute Vormittag schon in meiner Aufzählung erwähnt:
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Fortwaehrender-Lockdown-und-die-Evidenz-Merkelscher-Wissenschaft/Ich-vertraue-darauf-dass-Hausaerzte-Juristen-und-Statistiker-dem-politmedialen/posting-38231690/show/
Dieses Urteil wird seine Kreise ziehen. Ob es schnell irgendwo höchstrichterlich landet und entschieden wird BVerwG/BVerfG spielt aus meiner sicht keine so entscheidende Rolle. Interessant wird, ob sich in nächster Zeite andere untere Gerichtsinstanzen dem anschließen werden. Es wird dann zwangsläufig automatisch bottom-up hochgespült, ob die poltischen Richter das wollen oder nicht. Ein einzelnes Verfahren lässt sich demgegenüber leicht mit einem Handstreich erledigen.
Ein besonderes Augenmerk werden wir nun darauf haben müssen, wie mit diesem Urteil und den Amtsrichtern aus Weimar (und möglichen Folgeurteilen) politisch umgegangen wird. Sollten sich Landespolitiker und Justizministerien empört zeigen oder gar erdreisten gegen auf die betreffenden Richtern repressiv einzuwirken, dann sollten bei allen die Alarmglocken schrillen. Auch die mediale Rezeption in den Mainstreammedien wird sicher sehr erhellend sein.
Dass die Politik die Höchstrichter bestimmt (vgl. Kritik an polnischer Justizreform: Sitzt Deutschland im Glashaus?). Die Zurückhaltung, die die deutschen Parteien in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg bei dieser Besetzung an den Tag legten, schwand im 21. Jahrhundert deutlich: Mit Stephan Harbarth wurde 2020 sogar ein ehemaliger Abgeordneter und Fraktionsvize Präsident des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Unionsfraktionsvize soll Bundesverfassungsgericht leiten).
Dass die Politik die Richter bestimmt ist nicht das Problem.
Das Problem sind die bestimmenden Politiker und die "politischen Richter" selbst, das Dilemma liegt in deren Person begründet. Ein Verfassungsrichter mit fester politischer Agenda kann und wird niemals ein guter Richter sein, weil er gar nicht in der Lage ist "im Namen des Volkes" zu Urteilen.
Ein anderes Problem ist die Ministerialbürokratie, die auf vielfältige Weise in die richterliche Unabhängigkeit eingreift. Im deutschen Steuerunrecht haben wir schon seit vielen Jahren die geduldete Praxis der sog. "Nichtanwendungserlasse". Diese sind rechtstheoretisch und verfassungsrechtlich mehr als nur ein unbedeutende Zumutung, da sie die Gewaltenteilung faktisch komplett aus den Angeln heben. Nichtanwendungserlasse aus der Exekutive sind der Fuß in der Tür zur Willkürherrschaft. Man stelle sich nur mal für einen Moment vor, diese unverzeihliche Praxis würde auf andere Rechtsbereiche "überschwappen"...
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.01.2021 16:35).