Möglicherweise wird dabei auch von Bedeutung sein, dass in Deutschland Usus ist, was die EU bislang nur in Polen kritisiert: Dass die Politik die Höchstrichter bestimmt (vgl. Kritik an polnischer Justizreform: Sitzt Deutschland im Glashaus?). Die Zurückhaltung, die die deutschen Parteien in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg bei dieser Besetzung an den Tag legten, schwand im 21. Jahrhundert deutlich: Mit Stephan Harbarth wurde 2020 sogar ein ehemaliger Abgeordneter und Fraktionsvize Präsident des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Unionsfraktionsvize soll Bundesverfassungsgericht leiten).
Natürlich hat Deutschland keine unabhängige Justiz, mit obersten Richtern, die nach Parteienproportz eingesetzt werden, und Staatsanwaltschaften, die den Justizministern gegenüber weisungsgebunden sind. Und da es kaum parlamentarische Opposition, gegen den katastrophalen Corona-Kurs der Regierenden gibt, was können wir da schon groß von den politisch besetzten obersten Gerichten erwarten? Vielleicht spielen sie tatsächlich auf Zeit, alleine die Beweisaufnahme in den Hauptsacheverfahren werden sich in die Länge ziehen. Wird die Justiz dann die letzte der Gewalten, die jegliches Vertrauen bei vielen Bürgern verspielt? Oder tun sie sich, wenn die Sache gelaufen ist, leichter damit, die Verfassungsbrüche im nachhinein als solche zu bewerten?
Die die juristische Aufarbeitung der Corona-Krise wird nicht nur in Deutschland stattfinden. Wie werden sich die Verfahren in den westlichen Ländern gegenseitig beeinflussen?