Schrappe ist schlicht ein weiterer Edel-Querschläger. Einer aus der Gruppe der meist älteren, meist weissen, stets männlichen Akademiker, deren nicht endend wollender Cat Walk wir hier auf Telepolis bewundern können und die bestenfalls aus persönlicher Idiosynkrasie sich einschlägig äussern, schlimmstenfalls aus zynischen Wirtschaftsinteressen heraus.
Das wird schon aus der anfänglichen Argumentation klar, die der etwas übereifrige Neuber von der "angeblichen Inzidenz 35" reden lässt, als würde eine Zahl darüber entscheiden, ob etwas eine Inzidenz ist oder nicht.
Selbstverständlich ist der Wert 35 willkürlich - wie jeder andere auch. Selbstverständlich gibt es auch andere Indikatoren und man kann darüber debattieren, ob die 7 Tage-Inzidenz zur einzig massgeblichen bestimmt werden soll. Doch - in der Praxis ist man mit einer einzelnen, nachvollziehbaren Zahl gut bedient. Und es gibt gute Argumente dafür die 7 Tage-Inzidenz als zeitnahen Parameter für die Entwicklung der Pandemie zu nehmen. Schon eher lächerlich ist das Madigmachen der erhobenen Zahlen. Selbstverständlich passieren Fehler. Die konkrete genannte tägliche Ansteckungszahl ist bestimmt nicht mit der realen identisch. Das spielt aber dann keine Rolle, wenn sich am Modus der Erhebung nichts ändert. Dann kann man davon ausgehen, dass die Fehlermarge sich stets in einem vergleichbaren Bereich befindet. Entscheidend sind also nicht die absoluten Zahlen - in der Grössenordnung schon -, sondern die relative Entwicklung. Und das weiss Schrappe natürlich auch. Die Kritik am Wert '35' an sich wiederum ist generisch. Sie kann gegen jeden Wert gerichtet werden und ist damit sozusagen gratis.
Schrappes Argumentation ist also polemisch, um nicht zu sagen irreführend, schon von Anfang an. Es ist klar, wohin sie führen soll. Es geht nicht um eine Manöverkritik der deutschen Corona-Politik im Sinne, wie hätte man es besser machen können - und dafür gibts in der Tat viel Raum -, nein, es geht um die aktuelle Situation. Schrappe möchte 'lockern', eigentlich am liebsten alle Ökonomie-hindernden Beschränkungen aufheben. Dafür holt er weit aus, 'verrannt' habe man sich, erliege einem 'Kubasyndrom'. Bergamo wird erwähnt, weil er der Meinung ist, die damaligen Bilder hätten Angst eingeflösst und müssten auch heute noch, ein Jahr später dekonstruiert werden, um das seiner Ansicht nach Rationale durchsetzen zu können.
Dass es mittlerweile buchstäblich hunderte empirische Beweise für die Wirksamkeit von Lockdowns gibt, blendet er aus, passt nicht. Dass mobilitätssenkende Massnahmen eine entscheidende Wirkung haben, kann man übrigens schon Beispielen aus der Grippepandemie vor gut hundert Jahren entnehmen, etwa wenn man den Verlauf in u.s.-Städten vergleicht, die Massnahmen ergriffen oder eben nicht.
Bezeichnend ist auch Schrappes Reaktion auf Neubers Frage nach der britischen Mutante: Nachdem er Lauterbach als Politiker abgetan hat, obwohl dieser bekanntlich auch Mediziner ist, sagt er Folgendes:
Glücklicherweise haben wir hierzulande kein tierisches Reservoir, in dem rasch Mutationen auftreten, die dann immer wieder als "Sprung-Mutationen" auf den Menschen übergehen – wie bei der Influenza in Asien.
Das hat mit der Situation nicht das Geringste zu tun, denn die Mutation, von der Lauterbach sprach, ist ja längst aufgetreten, der betreffende Virenstamm schon im Land. Nach aktuellen Informationen verursacht er bereits einen Viertel der Infektionen mit stark zunehmender Tendenz. Und inzwischen weiss jedes Kind, dass die Infektiosität dieser Mutante sehr deutlich höher ist, man sich also leichter damit ansteckt.
Ganz haarig wird es, wenn er die von Tronald und anderen Verharmlosern bekannte Argumentation wieder aufwärmt, das Problem sei, dass man zu viel teste. Gut, er sagt es nicht ganz so, sondern behauptet einfach keck, die Werte seien von der Anzahl Tests abhängig. Das stimmt primär, aber er 'vergisst', dass man auch den Prozentsatz an Positivtestungen erhebt. Nach WHO ist dabei ein Wert über 5 Prozent ein Zeichen für zu wenig Tests - Deutschland liegt seit Monaten darüber, momentan noch bei 6,4 Prozent, (7 Tage-Schnitt) aber auch schon mal bei 18 Prozent.
Was soll man noch dazu sagen? Leute, die sich auch von der Realität nicht belehren lassen, sind hoffnungslose Fälle, auch dann, wenn ihr Diskursniveau scheinbar ein hohes ist. Daher nochmals an Neuber, der aber leider im selben Spital krank ist, die dringende Bitte von diesen Beiträgen doch endlich Abstand zu nehmen. Sie tragen nicht zu seinem Renommee bei.