... für unsere Demokratie.
Vor dem Hintergrund von Bergamo und Wuhan war es absolut richtig und nachvollziehbar, der Regierung den größtmöglichen Spielraum zu geben, um schnell und notfalls auch drastisch entscheiden zu können. Während der ersten Welle.
Die haben wir auch recht gut gemeistert in Deutschland.
Von da an allerdings ging es abwärts. Der fatale Wendepunkt war wohl das Wegmobben der Studien der Professoren Drosten (der Vorsicht bei Schulen anmahnte) und Streeck (der kurz nach Ostern eine Lockerung der Einschränkungen für vertretbar hielt).
In den folgenden zwei Jahren hat die Regierung ein System perfektioniert, unter dem Vorwand angeblich drohender Katastrophen praktisch alle demokratischen Kontrollen aus zu hebeln.
Demokratische Kontrollen, die in Deutschland aus der Erfahrung mit Hitler und der Weimarer Republik eingeführt wurden und eigentlich in Stein gemeißelt sind.
Richtschnur politischen Handelns waren nicht mehr Fakten und wissenschaftliche Grundlagen - die Expertenkommission der Regierung hat im Juni festgestellt, dass es praktisch keine Daten gibt, die - für die meisten Einschränkungen - Notwendigkeit, Wirksamkeit und verhältnismäßigkeit belegen würden.
Die Regierungen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene haben gemeinsam ein System entwickelt, dass sich jeder Kontrolle entzieht. Parlamente sich über Ermächtigungsgesetze aus der Regelgebung ausgeklinkt, ihre Kontrollfunktion für Jahre verweigert.
Gerichte wurden ausgehebelt, indem man zum einen dieselben oder ähnliche Massnahmen gleichzeitig auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene angeordnet hat. In einer irrwitzigen Schlagzahl: Dritte Verordnung zur Änderung der Achten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung im Dezember ... Einige Regelungen wie die Bundesnotbremse waren zudem so angelegt, dass Klagewege verbaut oder extrem eingeschränkt waren.
Man kann zwar klagen, man kann sogar Prozesse gewinnen. Allerdings ist im Falle eines gewonnen Prozesses nur eine von vielen Regelungen weg. Das Land darf dann zwar keine Maskenpflicht im Park mehr vorschreiben, die Vorschriften von Bund und Land bleiben aber in Kraft. Die Stadt hat in der Zwischenzeit eine "neue" Verordnung mit demselben Inhalt erlassen, gegen die man wieder klagen müßte.
Man mag argumentieren, dass die Gerichte während der Pandemie der Regierung vertrauen mussten, da schnelles Handeln erforderlich war.
Um so wichtiger ist es aber, jetzt jede Gelegenheit zu nutzen für eine Bewertung der Massnahmen. Um für zukünftige Katastrophen Rahmenbedingungen fest zu legen, wie die Regierung effient handeln kann, ohne Grundgesetz und Demokratie zu gefährden.
Denn die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die Regierung die mit Corona begründete Machtausweitung - etwa zum Schuldenmachen über "Sondervermögen", vorbei an allen demokratischen Regeln und Kontrollen - nicht freiwillig zurückschraubt.
Demokratische Regeln und Kontrollen, die aus der Erfahrung zweier Diktaturen auf deutschem Boden und einem - inzwischen aufgekündigten Konsen? - dass wir solide Regeln und Institutionen wie ein wehrfähiges Bundesverfassungsgericht brauchen, um eine dritte Diktatur zu verhindern.
Gerade in Zeiten wie diesen, wo es bei einer weiteren Verschärfung von Stagflation und Energiekrise durchaus möglich und wahrscheinlich ist, dass eine Rattenfängerpartei in absehbarer Zeit die Macht übernimmt. Mit allen Freiheiten, die das Bundesverfassungsgericht der Regierung durch die Duldung einer Aushöhlung von Grundrechten gerade schafft: Schuldenmachen, Zensur, Überwachung, Befugnisse der Sicherheitsbehörden, Umgehung des Parlaments.