Rosamunde schrieb am 06.04.2021 22:25:
Ich lebe ja in Frankreich, und hier wird alles mit Repression geregelt.
Die Franzosen sind aber eigentlich nicht so Duckmäuser wie die Deutschen. Sind sie nun auch zerstritten und total unentspannt? Es gibt doch aber den Erfolg der Gelbwesten, die nicht nachlassen, soziale Demokratie zu fordern, anders als hier über viele Schichten hinweg - Respekt.
Das ist richtig, die Gelbwesten haben die französische Regierung zum Zittern gebracht und sie waren sehr standhaft in ihren Forderungen und Aktionen.
Aber sie sind brutalst niedergeknuppelt worden. 24 Augen wurden mit Gummigeschossen ausgeschossen, Schädel gebrochen, Komapatienten und Behinderte "produziert", mehrere Hände durch Reizgas-Sprengstoffgranaten abgerissen. Die französische Polizei nutzt Waffen, die in fast allen EU-Ländern wegen ihrer Gefährlichkeit nicht genutzt werden. Es gab laut offiziellen Zahlen 2500 Verletzte Gelbwesten, darunter viele Schwerverletzte und einige Tote. In dem Jahr der Gelbwestenproteste sind so viele Gummigeschosse verschossen worden, wie in den letzten 15 Jahren davor nicht (~20.000, wenn ich richtig informiert bin).
Französischen Chirurgen haben gesagt, dass sie solche Verletzungen bisher nur in Kriegen gesehen haben. Hier eine Auswahl verletzter Gelbwesten (Vorsicht, kein schöner Anblick!) :
http://lemurjaune.fr
Darüber hinaus wurden die Gelbwesten mit allen Mitteln diskreditiert: sie seien rechtsextrem, homophob, rassistisch, Verschwörungstheoretiker, Verrückte, Antisemiten, gewalttätig, was staatstreue Medien bereitwillig verbreitet haben. Es hat auch ganz gut funktioniert, denn dadurch haben sich viele Menschen von den Gelbwesten desolidarisiert, um nicht selber in der Katetorie der "Bösen" zu landen.
Um die Gelbwestenkrise zu einem Ende zu bringen, hat Macron eine "große Debatte" in ganz Frankreich organisiert, in der die Bürger Wünsche und Vorschläge zur gesellschaftlichen Verändernung vorbringen durften - mit der Randbedingung, über für die Regierung heikle Themen nicht zu sprechen, wie z.B. über die Abschaffung der Reichensteuer durch Macron zu Ungunsten des Wohngeldzuschusses der Armen. Die Reichensteuer wieder einzuführen war eine der Forderungen der Gelbwesten, aber das Thema war in den "Debatten" verboten.
Nach 2 Monaten Scheindebatte ist dann alles im Sand verlaufen und nichts hat sich geändert. Das war das (vorläufige?) Ende der Gelbwestenbewegung.
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Ich habe mich zuerst auch gewundert, dass die Franzosen die Pandemiemaßnahmen so bereitwillig ertragen. Beispiel: wir haben hier seit 5 Monaten ohne Unterbrechung Ausgangssperre zwischen 18 und 6 Uhr, seit einer Woche zwischen 19 und 6 Uhr.
Vermutlich haben die meisten Leute die Maßnahmen hingenommen, weil es am Anfang der Pandemie Frankreich ziemlich schwer erwischt hat. Doch langsam ändert sich hier die Stimmung.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.04.2021 01:34).