Es mutet leicht paradox an, dass ausgerechnet Friedrich, der sich mit seinen Publikationen über die Folgen der Klimaerhitzung durchaus selbst weit aus dem Fenster gelehnt hat, nun beim Thema Corona so kritisch wird. Ja, es stimmt schon, dass man nie alle Parameter überblicken und berücksichtigen kann. Auch ich habe mich gelegentlich gewundert, wenn Prognosen veröffentlicht wurden, mit recht genauen Zahlen gespickt. Da gehört in der Tat ein Fragezeichen dahinter.
Aber zu unterstellen, dass Forscher ihre Forschung und ihre Privatmeinung bei diesem Thema mehr miteinander vermischen, als bei anderen, halte ich selbst für eine tendenziöse Behauptung, die auf Friedrich selbst zurückverweist. Zu präsent das Thema Schulschliessungen, als das nicht durchschiene, dass er, ganz persönlich, strikt dagegen ist.
Ein Eins zu Eins-Vergleich Klima- Coronaforschung ist prekär. Dafür sind die involvierten Zeiträume zu verschieden. Die Idee der Bürgerräte mag beim Klima sinnvoll sein, schon nur deshalb, weil die bestehenden ökonomischen Strukturen und Machtverhältnisse eine sinnvolle Klimapolitik ganz offensichtlich massiv behindern. Das ist bei der Seuchenpolitik zwar auch so, daher der Freizeitlockdown, obwohl mittlerweile längst bekannt ist, dass sich im Zusammenhang mit Erwerbsarbeit, namentlich in Mehrpersonenbüros massenweise Menschen infizieren, aber der Schadensdruck ist da viel unmittelbarer. Eine Übersaturierung des Gesundheitswesens mit ihren ganz konkret fatalen Folgen tritt nicht in Jahrzehnten, sondern in wenigen Wochen ein. Da bleibt für Bürgerräte schlicht keine Zeit. In vielen Fällen ist auch ein reguläres Parlament zu langsam. In akuten Gefahrensituationen muss schnell entschieden und gehandelt werden. Dafür sind die Institutionen bürgerlicher Machtprojektion zu träge.
Das ist keine neue Erkenntnis. Es gibt wohl kaum einen Staat auf der Welt, der in seiner Verfassung nicht Ausnahmesituationen vorsähe. In der teilweise direktdemokratischen Schweiz, ist für z. B. Kriegszeiten eine Art Diktatur durch einen eigens ausgewählten General vorgesehen. Die reguläre Exekutive, der Bundesrat, tritt einen Schritt zurück ins zweite Glied.
Seuchenzüge sind Ausnahmesituationen. Die Einschränkung des Demonstrationsrecht zu kritisieren, vorausgesetzt sie sei im opt in-Sinn geregelt, sei also mit einem festen, nur bei weiter bestehender Gefahrenlage änderbaren Verfallsdatum versehen, ist irrational. Den Querschlägern das Recht auf Demonstration einzuräumen, ist während der Seuche widersinnig, weil das auf jeden Fall zu einem Massenspreading-Ereignis führt. Wenn diese Leute meinen, Maskentragpflicht sei ein Zeichen von Diktatur, werden sie kaum eine tragen, ausgerechnet dann, wenn sie dagegen demonstrieren. Wie man heute weiss, waren auch die zu den Demos organisierten Busfahrten Superspreading-Ereignisse.
Regierungen sind dazu da, die Regierten vor tödlichen Gefahren zu schützen. Das ist in Deutschland nur sehr unzulänglich gemacht worden. Frühzeitiges, entschlossenes Handeln hätte die meisten der aktuell schon über 70'000 Toten verhindern können. Dann wären auch die ökonomischen und psychischen Schäden kleiner. Jojo ist nicht nur frustrierend, sondern auch unwahrscheinlich teuer. Dass das nicht geschehen ist, ist der Skandal.