doedl schrieb am 23.02.2021 10:08:
Es ist wirklich auffällig, dass bei so gut wie keiner der kritischen Erwiderungen auf diesen Beitrag in der Sache argumentiert wird.
Das fällt mir sehr oft auf, dass die Argumente von -sagen wir mal- "Maßnahmen-Kritikern" als Unsinn bezeichnet werden, aber nicht gesagt wird, warum das so ist. Oder man greift sie direkt persönlich an.
Oft kommen auch Analogien wie "Und die Erde ist eine Scheibe", als ob jemand im vollen Besitz der Wahrheit wäre. Dabei ist nichts weiter von der Realität entfernt als das.
Ein Diskurs findet kaum noch statt. Das finde ich bedenklich.
Z.B. dieser hier:
bastelt sich eben jeder seine eigene Realität zurecht. Ich finde, dass der Beitrag einen guten Überblick darüber liefert, was so an kruden Theorien im Umlauf ist. Dafür sollte man dem TE danken.
Naja, ich gehe, wenn solche Reaktionen kommen, meistens davon aus, daß derjenige große Angst hat, sich das aber nicht einzugestehen wagt – das wäre ja ein Zeichen von Schwäche – und deshalb jeden, der ihm seine Irrtümer und aufgeschnappten Mythen zum Thema scheinbar auszureden versucht, aggressiv angeht, weil er ja keine echten Argumente zur Hand hat, um die Gegenargumente abzuwehren. Nicht selten werden hier meines Eindrucks nach aber auch – bezahlte oder unbezahlte – Provokateure auftreten, denen es quasi im Blut liegt, Diskussionen zu stören, und die zu diesem Zweck ebenfalls solche Methoden anwenden.
„Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Diese Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt.“ Arthur Schopenhauer: Die Kunst zu beleidigen
Schopenhauer will damit zum Ausdruck bringen, daß an öffentlichen Diskussionen oft auch Menschen teilnehmen, die nicht über das dazu notwendige Rüstzeug verfügen und daher als dumm oder verblödet gelten. Ich fürchte zudem, daß das auf die Mehrheit unserer Mitmenschen zutrifft, weil sie außen- bzw. fremdgesteuert sind und daher nicht selber zu denken gelernt haben. Sie wurden weitgehend gesellschaftskonform erzogen und achten daher sehr genau darauf, was ihre Mitmenschen von ihnen halten oder denken; das ist ihnen sehr sehr wichtig, weil sie es sich nicht leisten können, Kritik an ihnen zu vernehmen: Alle, die nicht so denken wie sie, müssen falsch liegen. Sie hinterfragen weder ihre eigenen Gefühle noch ihre Gehorsamsbereitschaft; letztere nehmen sie meistens erst gar nicht wahr, das würde das Bild, das sie sich von sich selbst gebastelt haben, massiv eintrüben und zu einer schier unerträglichen emotionalen Last werden. Verlieren sie ihr von außen geprägtes und daher erlerntes Selbstbild, haben sie im Grunde nichts mehr, was ihnen Orientierung verschafft. Oft begnügen sie sich im Umgang mit anderen damit, denen das eine oder andere Etikett anzuhängen, sozusagen zur Selbstorientierung: »Der und der ist bös zu mir, mit dem rede ich nicht oder den beschimpfe ich, der hat es nicht anders verdient.«
Diese Charakter-Konditionierung ist nicht abhängig davon, ob jemand eine akademische Bildung genossen hat, sondern zieht sich durch alle Gesellschaftsbereiche. Gerade die Überangepaßten, die einen sicheren Job ergattern konnten, sind meist ängstlich um Konformität bemüht, weil sie sonst nichts haben, an dem sie sich festhalten können. Erich Fromm erläutert im Gespräch mit Renate Schneider-Sittel sein Verständnis eines autoritären Charakters. Diesen bezeichnet er als den sadistisch-masochistischen Charakter. Wenn Sie Ihr Verständnis eines solchen Charakters als Voraussetzung für faschistoide Ausrichtung vertiefen möchten, kann ich Ihnen die Interviews und Vorträge von Erich Fromm wärmstens ans Herz legen.
https://www.youtube.com/watch?v=crr7NAo4kdM
http://www.irwish.de/Site/Biblio/Fromm.htm
Arthur Schopenhauer: Die Kunst, Recht zu behalten
irwish.de/PDF/Schopenhauer-Kunst_Recht_zu_behalten.pdf
Arthur Schopenhauer: Die Kunst zu beleidigen
irwish.de/PDF/Schopenhauer-Kunst_zu_beleidigen.pdf
https://www.youtube.com/results?search_query=autoritärer+charakter