Durch.Erwsen schrieb am 22.02.2021 14:36:
Es ist wirklich erstaunlich, dass so ein dicker Fehler vom RKI verbreitet werden kann, es muss doch auch dort eine Qualitätskontrolle geben.
Ja, das wäre wirklich erstaunlich. Ich bezweifle aber, dass die entsprechenden Leute beim RKI wirklich so naiv sind.
Die ursächliche Fehlannahme beruht darin, dass man davon ausgeht, dass ALLE Menschen ihre Lebenserwartung erreichen! Und bei denen, die vorzeitig sterben, ergibt die Differenz dann "verlorene Lebensjahre".
Das müssten Sie mal aufzeigen, dass das RKI wirklich so doof gerechnet hat, wie Sie das in Ihrem Beispiel unterstellen.
Einig sind wir uns ja, dass nicht alle Menschen, die ihren 80. Geburtstag erreichen, dann noch gleich viele Lebensjahre vor sich haben. Sondern normalerweise stirbt ein gewisser Prozentsatz bereits vor dem 81. Geburtstag, ein weiterer Prozentsatz zwischen dem 81. und 82. Geburtstag, und so weiter. Kann man in den Sterbetafeln nachsehen.
Damit kann man auch einen Mittelwert (= "Durchschnitt" = "Rest-Lebenserwartung") der verbleibenden Lebenszeit errechnen. Den brauchen wir aber erst etwas später.
Wenn jetzt ein 80jähriger stirbt, dann kann ich tatsächlich keine Aussage darüber machen, dass da soundso viele Lebensjahre verlorengegangen sind, denn der 80jährige könnte ja zu dem Anteil der 80jährigen gehören, der erwartungsgemäß ohnehin stirbt.
Ich glaube, bis an diese Stelle sind wir uns einig. Jetzt kommt aber ein weiterer Schritt, den Sie wohl übersehen haben.
Wenn durch ein Ereignis mehr 80jährige sterben als üblich, dann ist da natürlich schon Lebenszeit verlorengegangen. Im mathematisch einfachsten Fall trifft das Ereignis alle 80jährigen mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Dann kann man die verlorenen Lebensjahre für 80jährige folgendermaßen berechnen:
(tatsächliche80jährigeTote - erwartete80jährigeTote) * restLebenserwartungFür80jährige
Diese Zahlen muss man jetzt noch über alle Altersgruppen aufsummieren und man hat die Gesamtzahl der verlorenen Lebensjahre.
Die obige Annahme, dass alle Menschen einer Altersstufe mit gleicher Wahrscheinlichkeit durch ein Ereignis sterben, ist vielleicht bei Unfällen oder Terror-Anschlägen halbwegs passend. Bei einer Krankheit wie Covid stimmt das natürlich nicht. Da werden wohl die ohnehin schon kränkeren (also die mit einer kürzeren Rest-Lebenserwartung) mit höherer Wahrscheinlichkeit dahingerafft, als die rüstigen. Daher muss man die Rechnung verfeinern.
Wenn alle Covid-Toten kurz später ohnehin gestorben wären, dann ist der Verlust an Lebensjahren gering. Das glaubt anscheinend Herr Kuhbandner. (Mich hat er nicht überzeugt, aber das ist ein anderes Thema.)
Man muss jetzt irgendwie abschätzen, wie lange die an Covid gestorbenen ansonsten im Durchschnitt noch gelebt hätten. Das ist kompliziert und sicherlich fehlerbehaftet. Ein möglicher Ansatz wäre, dass man geeignet gewählte Stichproben von Krankenakten 80jähriger betrachtet, und vergleicht, "wie krank" die an Covid gestorbenen, die an etwas anderem gestorbenen, und die nicht gestorbenen denn waren. Die Mathematik dahinter wird kompliziert. Dafür gibt's Statistik-Vorlesungen und -Studiengänge.
Ob das RKI hier im Detail korrekt gearbeitet hat, kann ich nicht beurteilen.
Aber Ihre plumpe Unterstellung, das RKI hätte einfach naiv die Formel
tatsächliche80jährigeTote * restLebenserwartungFür80jährige
zur Berechnung der verlorenen Lebensjahre verwendet, ist jedenfalls nicht glaubhaft. Das traue ich mich zu behaupten, ohne die RKI-Berechnung gelesen zu haben. Einen derart gravierenden Fehler müssten Sie schon mit echten Zahlen nachweisen, und nicht mit Beispielzahlen, die Sie sich selbst ausgedacht haben.