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Avatar von Schizooura
  • Schizooura

mehr als 1000 Beiträge seit 24.04.2020

Nicht ganz (aber fast)

Vorsicht bei "Dunkelziffern".

Zum einen ist die Dunkelziffer der Infizierten in der Regel nicht so hoch, wie sie scheint[*].

Zum anderen ist es grob fehlerhaft, von der Dunkelziffer der Infizierten auf die Dunkelziffer der Toten zu schätzen. Tod ist im Gegensatz zu SARS-CoV-2-Infektion ziemlich trivial zu diagnostizieren, dh bei den Toten haben wir erst mal weitaus robustere Ausgangsdaten.

Das führ in einer grundsätzlich korrekten Analyse zu gravierenden Falschformulierungen wie:

Auch 2017/18 in Deutschland, wo man am Ende offiziell 1.674 Todesfälle ZÄHLTE; aber die Gesamtzahl auf 25.000 SCHÄTZTE; also anscheinend eine Dunkelziffer mit dem Faktor 14 annahm.

Das stimmt einfach nicht. Die 25.000 Toten sind real, aber sie wurden Opfer eines durch Grippe überlasteten Gesundheitssystems - auch Grippe, aber nicht nur Grippe, sondern vor allem Herzinfarkte, Unfälle, verschobene OPs etc.
In jeder größeren Epidemie kommt es zu einer informellen Triage. Die ist zwar nicht flächendeckend, aber unvermeidbar: Sobald du 2 Fälle hast, die nur mit sofortiger Intervention zu retten sind, aber nur genug Personal und Material frei hast für 1, wirst du dich in der Regel um die Person mit der übertragbaren Erkrankung kümmern, ohne groß drüber nachzudenken.

Die "offiziell 1.674" sind diejenigen, die verstarben, weil eine Infektion mit Influenzaviren einen tödlichen Verlauf nahm, und das auch labordiagnostisch bestätigt wurde.

Dennoch bleibt die bottom line deiner Anmerkungen unverändert: Wie stark Covid-19 reinhaut, lässt sich nur duch den Vergleich vergleichbarer Zahlen erkennen. Man kann da die bestätigten Todesfälle nehmen, aber die Übersterblichkeit ist die belastbarere Zahl. Damit zählt man zwar nicht die "Toten an...", sondern die "Toten in Folge" bzw den medizinischen Gesamtschaden, aber die Zahl ist auch international vergleichbar, weil alle Störgrößen ("Tote an" vs "Tote mit") automatisch angeglichen werden. Man bekommt eine gut vergleichbare Quantifizierung der Gefährlichkeit statt massiver Mengen Zahlensalat, der bedeutungslos ist außerhalb des unmittelbaren Kontextes, in dem jedes einzelne Datum anfällt.

tl;dr: vergleicht einfach nur die Übersterblichkeit, sobald ihr sie habt (die Daten kommen jetzt so langsam rein).
Ansonsten wäre das so, als wenn ihr euch bei der Untersuchung der Vermögensverteilung auf einzelne Fallberichte stützt, statt auf den Gini oder sonsteinen Gesamtindex.

[*] durch Stille-Post-Journalismus bezüglich des Anteils von Fällen mit geringer Symptomatik, durch falsche Extrapolation von Grippedaten und Kreuzreaktion bei Antikörpertests.
Ausnahme: bei wirklich krass defizitären Testkriterien haben wir es wirklich mit einer ansehnlichen Dunkelziffer bei den Infizierten zu tun.
Caveat: außer bei state-of-the-art-Testkriterien werden die Infizierten erst mit 1-2 Wochen Verzögerung erfasst.

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