Die Staaten als Garanten kapitalistischer Verhältnisse reagieren auf das Corona-Virus in unterschiedlicher Weise. Es gibt Staaten, ob mit (z.B. Neuseeland, Südkorea) oder ohne parlamentarisch-repräsentative Demokratie (z.B. Vietnam, China), die die Virusverbreitung mit teils drastischen Maßnahmen ziemlich erfolgreich eindämmen.
Die Mehrheit der Staaten mit parlamentarischen oder Präsidialdemokratien versagt bei der Eindämmung der Virusverbreitung, allerdings auf unterschiedlich gefährlichem Niveau.
Offenbar gelingt es nur wenigen kapitalistischen Staaten und Gesellschaften, die Besonderheiten einer Virus-Krise mehrheitlich zu verstehen und entsprechend zu handeln. Zwar ist selbst noch diese "biologische Krise" zu einem erheblichen Teil aus dem Vordringen der Kapitalverwertung in die Tierwelt erklärbar, aber eben keine übliche ökonomische Krise der Kapitalverwertung, sondern eine Bedrohung der für die Kapitalverwertung notwendigen Menschen (Arbeitskräfte, deren Angehörige, zu denen eben auch ältere, nicht mehr für Lohn arbeitende Menschen gehören, die von Corona besonders bedroht sind, und Konsumenten). Dies zu erkennen und entsprechend zu handeln, scheint bisher nur wenigen Staatsführungen einigermaßen angemessen zu gelingen.
Dennoch dürfte dies nur eine historische Zwischenphase sein, weil
- entweder bei fortlaufender Pandemie oder immer häufiger entstehenden weiteren Pandemien, die bisher unterbestimmt handelnden Staaten auf die Linie der erfolgreichen Staaten einschwenken werden (weil sie es müssen)
- oder durch Impfung und/oder durch Ansätze zur Herdenimmunität sich auch in den unangemessen handelnden Staaten, sofern weitere Pandemien erst einmal ausbleiben, die Corona-Pandemie hinreichend abschwächen wird.
In beiden Fällen werden die in Sachen Pandemiebekämpfung erfolgreicheren Staaten kurz- und partiell auch mittelfristig beim Wiederaufleben des globalen Kampfes um Profite Vorteile haben, die durch China auch zu beschleunigten internationalen Machtverschiebungen führen werden. Mittel- und längerfristig aber werden auch diese kapitalistischen Staaten mit den gleichen Problemen kapitalistischer Ökonomie zu kämpfen haben, wie diejenigen mit größerer Zahl an Toten und Langzeitgeschädigten sowie stärkerer Schädigung ihrer kapitalistischen Wirtschaft:
- tendenziell sinkende Gesamtweltprofitrate und deshalb verschärfter Kampf um "Profitfelder";
- zunehmende Konflikte um endliche Ressourcen;
- Zerstörung der Öko- und Geosphäre (verharmlosend z.B. Klimawandel)
- Rationalisierungszwang durch Konkurrenz, deshalb Technisierungszwang (= mehr konstantes Kapital), deshalb rapides Anwachsen der globalen Arbeitslosigkeit (= weniger variables Kapital).
- "Völkerwanderung" wegen wachsender Ungleichverteilung von gesundheitlich akzeptablen Räumen und Arbeitsmöglichkeiten auf der Erde.
Welche Rolle bei der Regelung dieser Konflikte/Probleme die von Creydt ausgemachte Entsolidarisierung der Gesellschaften spielen wird, ist schwer abzuschätzen. Einerseits ist diese Entsolidarisierung zwar im Kern, nicht aber allein auf die Wirkung kapitalistischer Konkurrenz und des Fetischcharakters der Ware zurückzuführen, sondern auch auf spezifische gesellschaftlich-staatliche Entwicklungen, die in verschiedenen Staaten zu unterschiedlicher Tiefe der Entsolidarisierung führen können. Andererseits gibt es auch tradierte Ideologien, die der Kapitalverwertung nützlich sind und der Entsolidarisierung entgegenwirken können.
Außerdem kann Entsolidarisierung in Gesellschaften auch temporär einen Vorteil im internationalen Konkurrenzkampf bedeuten, allerdings nicht mehr, wenn der Konkurrenzkampf in militärische Auseinandersetzungen übergehen sollte oder wenn wie zur Zeit Entsolidarisierung eine gelungene Pandemieeindämmung behindert.
Kurz:
Unter der aktuellen Pandemie brodelt der kapitalistische Vulkan.