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  • Bernhardtiner

676 Beiträge seit 13.03.2001

Wohnen im Styropor-gedämmten Haus – eine langjährige Eigenerfahrung

Die bisherigen Diskussions-Threads zum Thema lesen sich überwiegend als Kritik gegen Dämmung im Allgemeinen bzw. gegen Styropor im Besonderen.

Mir ist nicht bekannt, wieviele der Kritiker ihr Wissen aus Eigenerfahrung beziehen und wieviele eher aus den Argumentationen der fossilen Lobby und anderer Fortschrittsgegner. Die geäußerte Häme erinnert mich jedoch fatal an das Stammtischniveau von Klimaskeptikern.

Deshalb hier mein eigener Erfahrungsbericht:
Ich wohne seit über zwei Jahrzehnten in einem ringsherum (auch das Dach) mit 12 cm Styropor gedämmten Eigenheim (ich weiß, daß man das Dach heutzutage deutlich stärker dämmen würde). Dazu eine Zentralbelüftungsanlage, die die Naßräume (Küche, Waschküche, Bad, WC) absaugt und die Wohnräume belüftet, sowie Wärmeschutzverglasung und Niedertemperaturheizung.
Dieses Konzept war anfangs der 90er Jahre noch alles andere als üblich und es bedurfte einiges an Aufwand und Überzeugung, für die Umsetzung einen Architekten sowie einen Bauauftragnehmer zu finden.
Das Ergebnis ist jedoch auch heute noch für mich absolut beeindruckend und ich hoffe, nie wieder anders wohnen zu müssen!
Die Gründe sind einfach:
Das Ziegelmauerwerk liegt vollständig im Warmbereich und besitzt damit immer Zimmertemperatur. Der Taupunkt befindet sich irgendwo inmitten der Dämmung, die selbst keine Feuchtigkeit aufnehmen kann, und spielt somit keine Rolle mehr. Die Pufferwirkung der Ziegelwände ist deshalb von beeindruckender Wirkung, denn eine kurzzeitige Lufttemperaturabsenkung – z. B. wenn man im Winter die Wohnungstür wegen vieler Personen etwas länger geöffnet hatte – wird in Blitzesschnelle wieder ausgeglichen. Das bedeutet Gemütlichkeit pur! Der Literatur kann man entnehmen, daß die gefühlte Raumtemperatur ungefähr dem Mittelwert von Lufttemperatur und Oberflächentemperatur der Außenwand entspricht. Hat die Außenwand nun Zimmertemperatur, kann diese bei gleichem Wohlbefinden also etwas niedriger gehalten werden, was zudem Heizkosten spart.
Daß zum Dämmen zwingend eine ausreichende Lüftung gehört, ist denklogisch. Ein Taucher steigt auch nicht nur in den Neoprenanzug, ohne noch seine Sauerstoffflasche mitzunehmen.
Bei mir arbeitet deshalb nahezu rund um die Uhr eine Zentralbelüftungsanlage (bei Hitze im Sommer wird zwischenzeitlich automatisch abgeschaltet, außerdem bei extremen Frost, damit es nicht zu trocken wird). Schimmel ist bei uns ein Fremdwort. Weitere Effekte: Fenster müssen bei Kälte im Winter nicht geöffnet werden, ebensowenig in der Allergiesaison im Frühjahr. In der konventionellen Wohnung zuvor hatte ich regelmäßig den Asthmaspray benötigt, seit ich in meinem Haus wohne, überhaupt nicht mehr – dank des Pollenfilters. Welch ein Zuwachs an Lebensqualität!
Im Keller lagert sogar meine alte Diasammlung dauerhaft.

Jedes Mal, wenn ich in einer fremden Wohnung zu Besuch bin, die nicht nach mindestens ähnlichen Standards gebaut ist, fühle ich binnen kurzem Stickigkeit und/ oder Ungemütlichkeit oder bekomme gar Kopfschmerzen (besonders in der kühleren Jahreszeit wegen der dann oftmals nicht ausreichenden Lüftung).

Nutzer "Pizza.Mampf" behauptet die fehlende Einsparmöglichkeit. Das Gegenteil ist der Fall:
Ich hatte Gelegenheit des direkten Vergleichs mit einem guten Bekannten, dessen Haus zufälligerweise die gleiche Wohnfläche und sogar die gleich Dachform hat wie das meinige, allerdings konventionell gebaut ist. Seine Heizkosten liegen um 500 EUR pro Jahr höher, als bei mir. Mein Wärmedämmverbundsystem für das äußere Mauerwerk (den Preis für die Dachdämmung weiß ich nicht mehr) kostete seinerzeit 10 TDM, umgerechnet also 5 TEUR. Damit hatte es sich also nach zehn Jahren bereits rentiert. ABER: Ich konnte dafür Kosten für das Mauerwerk sparen, denn für die damalige Wärmeschutzverordnung wären ohne Dämmung 36er Ziegelwände erforderlich gewesen, für die Statik genügen jedoch 24 cm. Das bedeutete eine signifikante Einsparung an Materialkosten für die Außenwände.

Die von einem anderen Nutzer geäußerte Kritik, daß die Wärme durch Dämmung nicht ins Haus gelangt, ist ein Vorteil: Denn im Sommer bleibt es selbst bei extremer Hitze draußen im Inneren angenehm kühl (vorausgesetzt, die Wärmeschutzfenster wurden rechtzeitig verschattet). Im Winter ist der Wärmenutzen von außen ohnehin gering, kann aber gut über die Fensterverglasung eingefangen werden.

Nutzer "Wagenrad" (Thread von Nutzer "Naturzucker") behauptet für Styropor "eine Lebensdauer von nur etwa 20 Jahren", begründet aber nicht, warum. Bei mir ist der Zustand des Wärmedämmverbundsystems nach über 20 Jahren praktisch wie neu. Selbst wenn der Putz rissig geworden wäre (ist er aber in meinem Beispiel nicht), spielt Styorpor seine Vorteile aus, weil er im Gegensatz zu Mineralwolle oder Naturfaserdämmung keine Feuchtigkeit aufnimmt.
Und selbstredend gibt es sogar deutlich ältere, funktionstüchtige Bauten mit Styropordämmung in Deutschland.

Auf meiner Fassade befindet sich auch keinerlei Schimmel. Zwar kann man Schimmelbildung an anderen Fassaden desöfteren finden, allerdings genauso an ungedämmten Fassaden sowie an Holzhäusern. Offensichtlich existieren also andere Ursachen, als die Dämmung.
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Bei etwa 200000 Wohnungsbränden in Deutschland pro Jahr (siehe z. B. hier: > http://www.zuhause.de/brandschutz-tipps-die-haeufigsten-brandursachen-vermeiden/id_76030596) erscheint es eher fraglich, über eine zweistellige Zahl von Bränden mit Styropor innerhalb von zwei Jahren zu diskutieren.
Brandursachen und Materialien, die Brände begünstigen, gibt es an anderer Stelle wesentlich mehr (siehe beispielsweise die Grafiken unter > http://www.ifs-ev.org/schadenverhuetung/ursachstatistiken/brandursachenstatistik).
Holzhäuser oder mit Reed gedeckte Häuser, deren Standzeit viel niedriger und deren Brandgefährdung viel höher ist, werden weniger verteufelt als mit Styropor gedämmte. Das erschließt sich mir nicht.

Styropor wird auch für Verpackungen aller Art und sogar als Essensbehälter für "to go" verwendet. Durch diese Wegwerffunktion dürfte die Menge vermutlich höher liegen, als die für Häuserdämmungen. Hier wäre also wirklich Diskussionsbedarf!

Jeoch gefällt mir der Vorschlag von Nutzer "gheth" weiter unten gut, daß die Herstellerindustrie das Recycling übernehmen sollte. Zum einen ist Styropor sehr gut recyclebar und zum anderen ist das in anderen Branchen (Beispiel Elekroschrott) auch üblich.

Ich hoffe, mit Vorstehendem ein wenig zur Versachlichung der teils recht emotionalen Diskussion beigetragen zu haben.

F.

[Edit: Vergessenes Wort hinzugefügt.]

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.11.2016 14:47).

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