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  • dr.cheeba

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Kollektivschuld

erez israel schrieb am 24. März 2003 19:31

> Wenn ein Land sich benimmt wie SauSau, dann
> nimmt man eine Haltung gegen das Land ein. Selbst einem
> "schuldbeladenen" Deutschen ist das gestattet. 
> "Guilt Payments" hin oder her.

Eben das ist falsch. Es benimmt sich niemals ein ganzes Land
geschlossen im Gleichschritt. Wenn in Geschichtsbüchern steht, daß
1939 "Polen" von "Deutschland" angegriffen wurde, dann heißt das
natürlich nicht, daß ausnahmslos alle Deutschen alle Polen
willentlich angegriffen haben. Und so ist es ja auch nicht gewesen.
Vielmehr wird das Handeln einer Regierung eines Landes, der dortigen
realen politischen Machtspitze also, als Handeln des Landes
dargestellt. Anscheinend muß man aber bei jeder solchen Formulierung
sicherheitshalber Fußnoten anfügen, die klarstellen, daß es sich
(vermeintlich selbstverständlich) nur um eine vereinfachende
Darstellung handelt, denn genügend Leute tun immer noch so, als ob
die absolute Pauschalisierung einer Nation gerechtfertigt wäre. Wäre
sie gerechtfertigt, dann könnte man auch an Maßnahmen nichts
aussetzen, die auf solchen Sippenhaft-Vorstellungen beruhen. Die
Ausrottung der Juden wäre aus deutscher Sicht gerechtfertigt, wenn
sich nachweisen läßt, das bestimmte Juden Feinde bestimmter Deutschen
sind. Und die Bombenteppiche der Siegermächte auf deutsche
Großsstädte wäre ebenfalls gerechtfertigt, denn "die Deutschen" sind
ja der Feind. Bei Bedarf kann man dann die Kategorien noch ausweiten
von Völkern auf Religions- bzw. Wertegemeinschaften: "der Westen",
"die Moslems", "die Christen"... Ich wage das Urteil, in solchem
Verhalten ein Grundübel der Weltgeschichte zu sehen. Sofern man
Frieden nicht für eine Tugend der Schwächlinge und unerleuchteten
Proles hält (wie das offenbar Richard Perle und Co. tun), wäre es
doch wohl weise, das Problem an der Wurzel kurieren zu wollen.

> Ich glaube einfach der WKII ist schon zu lange her. Mit dem
> Hinweis auf deutsche Schandtaten kann man heutzutage nichts
> mehr reissen. Das zieht nicht mehr. Fertig aus Schluss.

Die Verderbtheit der Juden wurde von den antijüdischen Vordenkern des
Westens (die sich "Antisemiten" nannten) besonders darin gesehen, daß
"die Juden" den Messias an Kreuz nageln ließen (wobei übersehen
wurde, daß die Jünger des Messias sowie dieser selbst ebenfalls Juden
waren). Selbst wenn das ein stimmiger Vorwurf wäre - das ist ein
Vergehen, das bereits an die 2000 Jahre zurücklag und von wesentlich
weniger Juden an wesentlich weniger Personen ausgeübt wurde als der
Massenmord, den Deutsche an Juden während des 2. WK verübt haben (der
sogenannte Holocaust).

"Fertig aus Schluß" ist jedenfalls ignorant. Wenn Du Texte aus dem
Alten Testament heranziehst, die noch wesentlich älter als 2000 Jahre
sind und das Anrecht auf ein "Großreich Israel" begründen sollen,
wieso willst Du dann die viel, viel jüngere Geschichte Deutschlands
ausblenden? Es sollte bei alldem nicht auf Schuldzuweisungen
hinauslaufen (womöglich gar simplifiziert kollektive), sondern auf
Lehren, die man aus der Vergangenheit ziehen kann, um geschehene
Katastrophen in der Zukunft zu vermeiden. Genau darin besteht echter
politischer, zivilisatorischer, sozialer Fortschritt.

> Unrecht bleibt Unrecht, auch wenn es ein junger IDF Baggerfahrer
> begeht, dessen Vorfahren ein schreckliches Schiksal hatten.
> Da kann man die "Antisemitismus Karte" stecken lassen.

Aber Du beschimpfst in bewußtem Beitrag nicht nur diesen
individuellen Baggerfahrer oder seine Gesinnungsgenossen, sondern
erweckst zumindest den Eindruck, alle Juden, Israelis, Beschnittene,
Verzehrer von koscherer Nahrung, oder wie auch immer, seien gemeint.

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