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  • VoltaireJunior

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re

Zetscho schrieb am 27. Januar 2006 12:25

> Ich werde mich da mal reinlesen. Ist alles ziemlich neu für mich.

> Noch mal zu Hitler: Der Begriff Archetypus war natürlich falsch, aber
> Hitler repräsentierte in seiner Art und seinem Auftreten den damals
> typischen deutschen Mann. So habe ich das in vielen Büchern (u.a.
> Alice Miller) gelesen und so hat es mir auch meine Oma erzählt.

Also mit der guten Alice muß man sowieso etwas vorsichtig sein. Die
vertritt eine ziemliche Vulgär-Psychologie. Dieses "Am Anfang war
Erziehung" mußt Du mal im Zusammenhang lesen mit Büchern wie "Drama
des begabten Kindes". Bei der kommt alles aus der Unterdrückung durch
die bösen bösen Eltern und das ganze liegt auf der 68er Linie des
"Kampfes gegen den autoritären Charakter", den Adorno und die
Frankfurter Schule anführten, um die Gesellschaften von innen heraus
zu zerstören und den heutigen Neoliberalismus als Neokonservatismus
vorzubereiten (die das orwellsche Gegenteil von echtem Liberalismus
und Konservatismus sind). Da kommen dann natürlich leicht pauschale
Sichtweisen zustande, die vor allem, wie alle Ideologien und Kirchen,
psychologisch raffiniert mit Schuld operieren, um einen Keil in die
Familie als solche zu treiben und sie so von innen heraus durch das
Tugenddiktat der sogenannten "Selbstverwirklichung" zu zerstören. Das
ist ihnen ja auch weitestgehend gelungen. Die "Selbstverwirklichten"
landeten entweder im lähmenden Hedonismus und damit der Vereinsamung
des Individuums, oder bei den Grünen und ihrem Führer-Opportunismus
des Cohn-Bendit-Multikulti und der Kriegstreiberei für das
Ami-Imperium, wie es ihr Heiland Fischer betrieb.

Hitler repräsentierte, wenn schon, dann den "Archetypus" des Erlösers
in einer noch stark vom militärischen Wilhelminismus geprägten
Gesellschaft. Er wurde quasi als deutscher Messias in Menschengestalt
aufgebaut und war als solcher sozusagen geschlechtslos. Dieses Image
pflegte er auch ganz bewußt, weshalb sich Eva Braun auch nie mit ihm
in der Öffentlichkeit zeigen durfte. Da spielt dann auch noch der
ganze Mystizismus des Thule-Ordens mit rein, dem Hitler und seine
engsten Kumpane angehörten. Deswegen war er ja auch Vegetarier. Du
darfst auch nicht vergessen, daß das eine Zeit war, wo das
Geschlechtliche durch das Militärische noch sehr stark unterdrückt
war (wie ja auch im Britischen Empire des sogenannten Viktorianischen
Zeitalters). Und gerade deshalb funktionierte ja auch der
Hitler-Kult. Die Frauen träumten nicht heimlich davon, mit Hitler zu
schlafen, sondern sahen sich in diesem "Erlöserbild" in ihrer eigenen
Asexualität bestätigt. Im Bild des Nazis war ja gerade der Jude als
Gegenbild das Sexmonster, das die "deutsche Frau" bedroht.

> Übrigens, habe ich aus dem Nachlaß meiner Großtante ein kleines
> Büchlein gefunden: "Der Führer wie ihn keiner kennt". Das ist ein
> Bildband, wo man in ihn kurzer Hose auf der Picknickdecke sitzen
> sieht, oder bei einer seiner Reden, oder ganz traurig, weil "Feinde"
> einen seiner Schäferhunder vergiftet haben. Es ist zum totlachen, der
> wurde damals inszeniert wie eine Pop-Ikone.

Ja, aber schau Dir mal den Bildband noch mal genauer an, den Deine
Großtante vielleicht nicht zufällig aufgehoben hat, weil sie als
damaliges Jungmädl seelisch wie hunderte tief davon geprägt war. Das,
was uns heute dabei zum Lachen reizt, ist ja gerade der total
asexuelle Hitler, der Erlöser privat sozusagen; der menschgewordene
Messias, dem das menschliche Leid nicht fremd ist und das tierische
natürlich auch nicht. Alle Hitler-Verehrerinnen sehnten sich beim
Anblick solcher Bilder weniger danach, mit ihm ins Bett zu steigen,
als voller Hingabe seine Hündin (sein Lieblingshund war da also nicht
zufällig eine Hündin) zu sein, die von ihm gestreichelt oder
betrauert wird. Wir lachen heute darüber, weil wir einer anderen Zeit
angehören und diese Art von Bild-Magie nicht mehr auf uns wirkt, weil
Hitler spätestens seit 45 durch die grausame Realität seiner
Verbrechen entzaubert worden ist.

> Wenn man so will, haben
> die Nazis die Populärkultur erfunden.

Nö, das waren dann doch die amerikanischen Kapitalisten.

> Aber Goebbels hatte ja die
> Lehren des Urvaters der Werbung, Edward Bernays, übernommen. Man, das
> müssen Zeiten gewesen sein...

Goebbels hat sozusagen die amerikanische Popkultur (mich sträuben
sich die Haare in dem Zusammenhang von Kultur zu spreche, aber ok) in
Deutschland mit der Massenpsychologie und den Mystizismus der
angloamerikanischen Theosophenlogen verbunden und dann politisiert
und propagiert. Hier würde ich Dir als Lektüre mal das Buch von
Carmin "Das schwarze Reich" empfehlen, erschienen als Taschenbuch bei
Heyne. 

Gruß VJ

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