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  • crumar

mehr als 1000 Beiträge seit 08.03.2007

Bei seiner Kritik der manichäischen Weltsicht habe ich herzlich lachen müssen

Götz Eisenberg hat das Potential seines einleitenden Zitats: "Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts mehr, sondern an alles." leider verschenkt.

Die nicht zur "Lifestyle-Linken" gehörende Linke weist schon seit Jahren darauf hin, dass sich auf der Seite der "Lifestyle-Linken", Linksliberaler und sonstiger "Progressiver" eine Art säkularisierter Religion ausgebreitet hat.

Zu dieser gehört eine manichäische Weltsicht, die der Autor so beschreibt, aber nicht benennt: "Er (Anm.: der Populist) bedient wieder entflammte Spaltungsneigungen in "nur gut" und "nur böse" und rückt den verunsicherten Menschen einen Feind zurecht, den sie für ihr Unglück verantwortlich machen können. Irgendjemand steckt dahinter!"

Für den Manichäismus kennzeichnend: "In der manichäischen Weltsicht stehen sich das göttliche Lichtreich und das Reich der Finsternis in absoluter Gegnerschaft gegenüber." und "Seine organisierte Anhängerschaft war unterteilt in die Elite der „Auserwählten“ (lateinisch electi), aus der sich die Amtsträger rekrutierten, und die einfachen Gemeindemitglieder, die „Hörer“ (auditores). Insbesondere von den electi verlangte er Askese und ein Bemühen um die Reinheit, die als Voraussetzung für die angestrebte Erlösung galt." (Wiki)

Mit dem Bestreben, eine klare Freund/Feind-Aufteilung zu sichern, sich selbst ins Lager der Guten (TM) und Auserwählten zu sortieren und die Anderen als die Bösen (TM) und Kräfte der Finsternis zu beschreiben, agieren die Mainstream-Medien und der ÖR verschärft seit Jahren.

Die Folgen dieser Weltanschauung: Lieber haben die Auserwählten in der Süddeutschen Zeitung ihre Foren dicht gemacht, als weitere Kritik über ihre Berichterstattung in der Ukraine-Krise zuzulassen.
Das war 2014.

Der Autor nennt den imperialen Gestus mancher Psychoanalytiker: "Was du auch sagst, das, was du sagst, will etwas anderes sagen, und ich bin derjenige, der weiß, was du eigentlich sagen wolltest." und möchte diesen vermeiden.
Das ist auch gut.

Dem Autoren ist aber entgangen, das Bedürfnis nach der psychologisierenden Pathologisierung von Kritikern hat u.a. zur "Entdeckung" - und damit meine ich tatsächlich haltlosen Unterstellung - zahlreicher "Phobien" geführt, wovon die "Transphobie" die neueste (und bestimmt nicht die letzte) ist.

Was er also als Geisteshaltung unter dem unaufgeklärten Publikum verortet, ist die Geisteshaltung, mit der das Publikum seit Jahren durch die Medien konfrontiert wird, die sich aufgeklärt wähnen.

Noch einmal zu dem Satz: "Er bedient wieder entflammte Spaltungsneigungen in "nur gut" und "nur böse" und rückt den verunsicherten Menschen einen Feind zurecht, den sie für ihr Unglück verantwortlich machen können. Irgendjemand steckt dahinter!"

Dass die Nazis die Juden als Sündenbock aufgebaut haben, sollte inzwischen bekannt sein - spiegelbildlich betreiben "Lifestyle-Linke", Linksliberale und sonstige "Progressive" den Aufbau des "intersektionalen" Sündenbocks "alter weißer heterosexueller Mann". (1)
Ebenfalls seit Jahren - wenn man den radikalen Feminismus als Quelle betrachtet seit Jahrzehnten.

Götz Eisenberg verortet "den Populisten" irgendwo im rechten Lager und ich kann ihm nur versichern, mit diesem populistischen Unsinn und dem manichäischen Weltbild werde ich Tag für Tag konfrontiert wenn ich Medien konsumiere. ;-)
Gerade die, die sich liberal bis links wähnen und in diesen Medien publizieren, unterscheiden sich m.E. kein Jota von "Populisten".

Was sich in der Corona-Krise an Polarisierung der Gesellschaft, an Misstrauen gegenüber Medien und Organisationen aufgetan hat, ist das Resultat einer (unreflektierten) Entwicklung, die Jahre und Jahrzehnte vorher eingesetzt hat.

Das Problem ist jedoch, der Typus und der Modus der "verfolgenden Unschuld" sitzt noch immer in den Köpfen der Redaktionen, der Experten und Politiker.
Es ist bisher zu ihnen nicht durchgedrungen: ihr "framing", "nudging" und ihre "shaming tactics" sind als Manipulationstechniken inzwischen bekannt und das Publikum hat sie satt. Es reagiert allergisch und die Dosis zu verdoppeln macht es nicht besser.

(1) Leseempfehlung: Pascal Bruckner - Ein nahezu perfekter Täter. Die Konstruktion des weißen Sündenbocks.

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