Ein Bekannter erzählte von einem seiner Bekannten, dass der "mit Bäumen kommuniziere". Das war natürlich nur ein Beispiel, um seine Vorstellung zu zeigen. Ich sagte dazu, dass der Bekannte nicht wirklich mit einem Baum kommuniziere, sondern mit dem Bild des Baumes, das er sich in seinem Kopf geschaffen hat.
Sooo.... dieses Bild im Kopf gibt unsere Sinneseindrücke wieder. Plus unserer Wertungen, Vorlieben, Abneigungen usw. Naturgemäß ist die Auflösung dieses Bildes unscharf, "verpixelt"- unser Bregen kann keine 1:1-Kopie erstellen, dazu ist er nicht leistungsfähig genug. Manche Bereiche sind detaillierter- da haben wir Wissen, das uns diese Bereiche besser wahrzunehmen befähigt. Andere Bereiche sind verzerrt, da haben wir "Wissen", das uns täuscht (Voreingenommenheit, falsche Konzepte, ...). Und all das geht fließend ineinander über.
Der Witz ist jetzt, dass unser Psychologe/Psychiater (eben weil es keine körperliche Sache ist wie ein gebrochener Knochen) nur das Bild von uns beurteilt, das er im Kopf geschaffen hat. Mit allen Unschärfen und Verzerrungen. Wir sind also sowas wie ein lebender Rorschach-Test (oder wie heißen diese Tintenkleckse, die alle wie Schmetterlinge aussehen? :-)) für den armen Menschen, der uns diagnostizieren will. Dass es da zu Irrungen und Wirrungen kommt, das ist vorprogrammiert.
Um ein halbwegs objektives Bild zu bekommen, müsste man also sowohl das "Wissen" als auch die Urteile (Vorlieben, Abneigungen, ...) rausnehmen- und das schafft niemand, der selbst nur allzu menschlich ist.
Das Problem sehe ich eher bei denen, die nicht zugeben wollen/können, dass sie eben nur ihr Bild von uns interpretieren und nicht uns selbst; davon gibts genug, Akademiker halten sich selbst gern für geistig überlegen ("Seien Sie still, ich hab das studiert!") bis unfehlbar. Nun, ich habs nicht studiert, ich beobachte nur recht gut. (Mag sein, dass dieses Konzept schon woanders deutlich besser formuliert wurde und eine Menge eigener Namen für diesen Vorgang hat, das weiß ich also nicht).
Nimmt man aber diesen Schritt, das Bild im Kopf, das nur eine unscharfe und verzerrte Kopie vom Original ist, mit in die Gleichung (und gesteht sich selbst ein, dass man fehlbar ist) bekommen all meine Erfahrungen weitaus mehr Sinn. Das hier ist _meine_ Interpretation der Psychologen/iater. Also bitte: gebt einfach zu, dass die einzig wirkliche Antwort lautet "Wir wissen es nicht", anstatt eure Patienten als Versuchskaninchen zu missbrauchen, um euer Ego oder Eure Portokassen klingeln zu lassen. Herr Schleim, ich nehme an, Sie kennen genug "Kollegen", auf die diese Beschreibung zutrifft, und können meinen Unmut deshalb nachvollziehen.
Allerdings bedeutet dieses Konzept auch, dass die Psychologie per se keine "exakte Wissenschaft" sein kann. Das ist zwar imho nicht mal die Mathematik (wieviel Stellen nach dem Komma benutzt ein Mathematiker bei Pi? Wir arbeiten überall nur mit Näherungswerten...), aber hier ist der Interpretationsspielraum zu groß, um noch zu exakten Ergebnissen zu kommen. Es sei denn, man interpretiert die Norm- was also ist "normal", der Norm entsprechend?
Und hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Psychologie ist nur eine Interpretation der eigenen Wahrnehmung- was nehmen wir als normal wahr? Was entspricht meiner/deiner/seiner/ihrer Norm? Wie gehe ich um mit jemand, der nicht meiner Norm entspricht, und wie normal bin ich selbst?
Ich habe darauf keine Antwort.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.05.2020 12:12).