Ich habe mich doch gar nicht konkret zu den Möglichkeiten der Psychotherapie geäußert.
Ja, dieses Mal nicht.
Weder ein Psychiater noch ein Psychologe kann einem Patienten ein neues Leben geben, mit einem neuen Umfeld, einer anderen Familie, anderen Erfahrungen und Erinnerungen et cetera.
Was jedoch voraussetzt, dass Umfeld, Familie, Erfahrungen und Erinnerungen psychische Störungen aufrechterhalten. Nur dann würde eine dementsprechende Modifikation überhaupt Sinn ergeben. Ich halte diese Voraussetzung in dieser Allgemeinheit jedoch für überaus zweifelhaft, besonders was schwere psychische Störungen betrifft.
Sind die Probleme, die man heute psychologisch-psychiatrisch behandelt, im medizinischen Sektor wirklich gut aufgehoben?
Wenn sie auf der anderen Seite des Graubereichs sind, also es sich eindeutig um schwere psychische Störungen handelt, dann auf jeden Fall.
Wieso erzählt man so vielen Patienten Märchen von den Gehirnstörungen?
Ich war 3 Monate lang in einer Spezialstation für Psychose-Patienten. Es war eine offene Station in der fast alle Patienten Antipsychotika genommen haben, einer sogar 5 verschiedene gleichzeitig um frei von extrem quälenden Stimmen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen zu sein. Nicht vergessen werde ich auch eine Frau, die aufgrund ihrer Negativsymptome praktisch zum Zombie wurde: Keine Mimik, kaum Bewegungen, beim Gehen nur kleine Schritte. Solchen Patienten muss man wohl kaum noch Märchen erzählen, um sie vom Konzept der "Gehirnstörung" zu überzeugen.
Mir ist klar, dass man als einzelner Patient, der gerade ein Tief durchmacht, an meinen Texten nicht so viel hat.
Ich leide seit mehr als 6 Jahren an therapieresistenten Depressionen. Das ist kein "Tief" oder "Melancholie", ich fühle mich so als ob ich hirntot wäre, keine Gefühle, keine Gedanken, dafür aber kognitive Probleme. Und ja, ich habe tatsächlich nicht viel davon, wenn meine lebensvernichtende Erkrankung durch Soziogeschwätz marginalisiert wird.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (25.05.2020 16:30).