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  • aquadraht

mehr als 1000 Beiträge seit 17.11.2000

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei ..

Vor etwa 20 Jahren, zum 150. Jahrestag des Erscheinens des Manifests der Kommunistischen Partei von Karl Marx, wurde in der FAZ eine Würdigung veröffentlicht. In der war zu lesen, dass Marx in seiner Schrift die Globalisierung exakt und umfassend beschrieben hat. Ein Blick ins Manifest zeigt, dass das trivial richtig ist.

Seither ist einiges geschehen. Die Analytiker aus der Welt des real existierenden Sozialismus meinten, mit der Zeit der Imperialismusanalyse Lenins, also seit etwa 1910, sei die "allgemeine Krise des Kapitalismus" eingetreten. Ähnlich klingt Koniczs Diagnose. Jedoch hat seither der Kapitalismus den real existierend habenden Sozialismus überlebt, und es ist nicht auszuschliessen, dass in wenigen Jahrzehnten Herr Konicz noch auf dem Totenbett das bald bevorstehende Ende des Kapitalismus herbeiröchelt.

Oder auch nicht. Wie Einstein sagte, sind Prognosen stets schwierig, wenn es um die Zukunft geht. Oder wie Tucholsky einmal anmerkte, der dialektische Materialismus genau erklären kann, warum dies oder jenes eintreten muss, und, wenn es nicht eingetreten ist, warum es auf keinen Fall eintreten konnte.

Ja ich weiss, Zynismus ist billig. Vollmundige Analysen sind es auch. In der Weltwirtschaftskrise von 1930 ist der Welthandel um über 30% zurückgegangen, die Preise sind es teilweise noch stärker. Dennoch hat "die Globalisierung" nicht geendet, die damals dominierende Expansion des US-Kapitalexports hat nicht einmal vor dem extremen Nationalismus der Nazis und anderer Staaten des faschistischen Blocks halt gemacht, nicht einmal vollständig während des Krieges.

Auch wenn Herr Konicz sich in die Pose des Wissenden schwingt, die historische Tendenz ist derzeit unklar. Unbestreitbar ist die Expansion des Welthandels, wie sie die Weltwirtschaft seit dem Ende des 2. Weltkriegs dominierte, an Grenzen gestossen. Sie hat aber noch keinesfalls geendet. Die derzeitigen Ungleichgewichte im Welthandel mit strukturellen Defizit- und Überschussstaaten ist natürlich nicht nachhaltig.

Wer aber die Wirtschaftsgeschichte kennt, weiss, dass die gesamte Entwicklung der letzten 6 Jahrhunderte durch nicht nachhaltige Ungleichgewichte geprägt war. Bis Mitte/letztes Drittel des 19. Jahrhunderts gab es ein ständiges Zahlungsbilanzungleichgewicht zwischen den kapitalistischen Ländern Europas und Asien, bei denen Europa das Defizitgebiet war: Gold und Silber flossen nach Asien. Dem wurde durch die teilweise gewaltsame Zerschlagung der Heimtextilindustrien Asiens, die Opiumkriege und die Kolonisierung Süd- und Südostasiens und die Zerschlagung des Regimes von Muhammed Ali in Ägypten ein Ende bereitet. Der Kapitalismus war noch nie fair oder playing by the rules.

Krieg war immer ein - selten erfolgreiches, aber stets mörderisches - Mittel, um Ungleichgewichte zu bereinigen. Heute, unter den Bedingungen nuklearer Massenvernichtungsmittel, ist diese Tendenz des Kapitalismus gefährlicher denn je. Handelsauseinandersetzungen mögen die eine oder andere Richtung nehmen, angemessen sein oder nicht, die Krisen des Kapitalismus werden sie ohnehin nicht lösen. Das Hauptproblem unserer Epoche ist aber die Verhinderung der Kriegspolitik des Imperialismus. Hier stehen Leute wie Konicz mit ihrer törichten Querfrontpolemik gegen friedenspolitisches Engagement eher im Weg.

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