Es ist sicher verdienstvoll, einmall tabellarisch aufzuzeigen, wie ein scheinbar kleiner Wachstumsunterschied von z. b. 1 Prozent über etwas längere Zeiträume zu gewaltigen Grössenverschiebungen führt. Das ist den Meisten nicht bewusst, obwohl sie in der Schule vielleicht mal mit dem Thema Zinseszins in Berührung gekommen sind.
Aber das reicht nicht. Wie kann der Autor - auf Deutschland bezogen, zur Behauptung gelangen...
Der Bedarf an Energie und Rohstoffen geht immer weiter zurück.
? Weiss er nicht, dass die heutige Industrie globalisiert ist und seit den Achtzigern viele megaverschmutzende und maximalverschleissende Industriebetriebe in andere Welten ausgelagert wurden? (Originalton eines damaligen Weltbankökonomen; 'die Dritte Welt ist unterverschutzt'. Das hat sich zwischenzeitlich gründlich geändert.) Sämtliche globalen Energie- und Rohstoffverbrauchsdaten steigen munter weiter, nicht nur absolut, sondern auch pro Kopf. (Beispiel; der Sandverbrauch hat sich seit der Jahrtausendwende verdreifacht.) Kleinwächter redet hier, ohne es beim Namen zu nennen, den Postmaterialismus herbei. Seit dreissig Jahren mindestens hört man das. Aber er kommt nicht. Im Gegenteil, so materialistisch wie heute war die Welt noch nie.
Die folgende Behauptung dagegen ist sicher korrekt:
Die Unternehmen können jetzt mehr produzieren als die Menschen finanziell zu kaufen vermögen
Mit anderen Worten, es herrscht Überproduktion, worauf alle versuchen diese im Ausland abzusetzen. Immer neue Märkte müssen her. Deren Kaufkraftniveau ist aber in den meisten Fällen tief - und bleibt es auch, weil bei nennenswerten Reallohnsteigerungen ganze Industrien ins nächste Land abwandern würden. Der Wettbewerb zwischen den diversen nationalen Kapitalismen verschärft sich, es kommt zu Handelsfriktionen. Wenn gar nichts mehr geht zum Krieg. (Aufgrund bedrohlicher Überwaffen gibt es zurzeit noch Hemmungen.)
Mit einem weiteren Jahrhundert klassischen Wachstums wären die ökologischen Folgen nicht mehr tragbar.
Wenn ich dagegen diese Aussage lese, staune ich über den zugrundeliegenden Überoptimismus. In Wirklichkeit ist das 'klassische Wachstum' jetzt schon nicht mehr tragbar. Das dem so ist, realisiert die Menschheit dann im Lauf der nächsten Jahrzehnte, obwohl eigentlich heute schon bekannt ist, dass wir die Erde buchstäblich auffressen und dabei die Umweltbedingungen derart verändern, dass sie für uns lebensbedrohlich werden. Wenn etwa Brände aus den Waldzonen ausbrechen und sich den Städten nähern.
...keine gesicherte Stromversorgung...
haben übrigens inzwischen auch die Kalifornier.
Kleinwächter redet zwar über die Wachstumsexplosion, thematisiert aber nicht, was sie anfeuert. Nämlich nicht eigentlich die Industrie, sondern die, vornehm ausgedrückt, extraktiven Tätigkeiten, also Abbau von Rohstoffen und belebter Natur, etwa in der Fischerei. Weniger vornehm gesagt, wir nehmen uns, was zu kriegen ist, wir rauben alles aus. Sogar die Landwirtschaft, die ja eigentlich reproduziert, tut das, sozusagen uneigentlich, indem sie Böden verschleisst. Da die Erde endlich ist, kanns nicht ewig so weitergehen, ergo Peak X, Peak Y, Beispiel Phosphate für den Kunstdünger. Die Industrialisierung hat uns zu begnadeten Räubern gemacht. Daher die Wachstumexplosion.
Der zitierte Hermann Daly hat fast recht - Wachstum ist unser Götze. Nur fast, weil es im Kapitalismus auch gar nicht anders sein kann. Ohne Wachstum Krise. Und man fühlt sich an den vielzitierten Satz von Adorno erinnert, es gebe kein richtiges Leben im falschen.