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  • Sentinel

mehr als 1000 Beiträge seit 08.05.2023

Bitte auf die Begriffe achten!

"Ein solches Leben ist nur als ein hochgradig psychotischer, schizophrener Zustand erklärbar, in dem Menschen nicht etwa "nur" gegenüber dem Leiden der Anderen abgestumpft sind, sondern vor allem gegenüber dem eigenen Tun, den eigenen Mordtaten und sonstigen Brutalitäten."

Hier als kleine wohlwollende Anmerkung, dass die beschriebenen Zustände absolut und rein gar nichts mit "Psychose" oder "Schizophrenie" zu tun haben. Nicht einmal ansatzweise!

Bei einer Psychose treten unter anderem inhaltliche Denkstörungen auf, typischerweise ein Verfolgungswahn, oder ein Beeinträchtigungswahn, darüber hinaus können Wahrnehmungsstörungen in Form von z.B. Stimmenhören oder in anderen Modalitäten auftreten. Begrenzend für die Alltagsfunktionalität ist dann das Negativsyndrom, welches mit einer zunehmenden affektiven Verflachung, Verminderung des sprachlichen Ausdrucks, Antriebsminderung bis hin zur Apathie etc. einhergeht.

Nichts davon liegt hier vor. Stattdessen erleben wir hier Mechanismen, die einst als Verdrängung und Abspaltung konzeptualisiert wurden: Von einem eigentlich grausamen Erlebnis trennt unser Geist die eigentlich unerträgliche Emotion regelrecht ab: Man spricht dann über die furchtbarsten vorstellbaren Ereignisse so emotionslos, als ob man einen Besuch im Freizeitpark Revue passieren lassen würde. Die Verdrängung bezeichnet dann das mehr oder weniger vollständige Herausschieben eines Umstands, einer Wahrnehmung oder einer Erinnerung aus dem Bewusstsein heraus. Das Hirn kapselt diese schlimme Sache einfach aus seinem bewussten Erleben ab und widmet sich den anderen Dingen des Alltags zu, völlig ungestört und unbehelligt.
Dafür bedarf es auch keiner psychischen Erkrankung, es ist ein psychischer Prozess, der prinzipiell bei jedem Menschen so auftreten kann.

Machen wir uns nichts vor: Auch wir sind davor nicht gefeit, wenn wir in der Tagesschau uns erstmal den Tod von Tausenden von Leuten ansehen, um dann die Popcorn aus der Mikrowelle zu holen und uns dann selenruhig ein Konzert anhören.
Natürlich "beruhigen" wir uns damit, dass wir die Sache rationalisieren und uns sagen: "da kann man eh' nichts machen, die sind ja alle tausende von Kilometern weit weg, kriege ich jetzt noch die Kartoffelchips, bitte?"

Das Erdbeergärtchen neben dem Konzentrationslager spitzt diese Dissonanz eigentlich nur maximal zu, bis ins Unerträgliche, und zeigt, wie unser Geist selbst die allerunvorstellbarsten Monstrositäten in einen banalen Alltag einbauen kann und sie damit als normalen Bestandteil unserer Existenz legitimiert.
Es ist erschreckend, wozu der homo sapiens sapiens in der Lage ist, und wie er sich's dabei auch noch richtig schön wohlig einrichten kann.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (01.03.2024 13:56).

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