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  • DJ Holzbank

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2011

"Existenzrecht" ...

Es gibt keinen völkerrechtlichen Begriff des "Existenzrechts", sondern nur einen Propagandabegriff. Das hätte der Faktenchecker Korinth allein schon daran ablesen können, dass der Begriff ausschließlich im Zusammenhang mit Israel gebraucht wird - und zwar nur im sogenannten Westen gebraucht wird. (Rufen Sie doch mal die russischsprachige Wikipedia-Seite zum "Existenzrecht Israels" auf, Herr Korinth. Die gibt es nicht und sicher nicht deswegen, weil Russland "das Existenzrecht Israels leugnet".)

Das Mandatsgebiet Palästina wurde 1948 von der UNO geteilt, sein Territorium wurde zwei noch nicht existierenden Staaten zur Verfügung gestellt. Und dennoch spricht niemand über das "Existenzrecht des Staates Palästina" bzw. darüber, dass Israel seit 1948 das "Existenzrecht des Staates Palästina" leugnet. Auch der Faktenchecker Korinth kommt nicht auf diesen eigentlich naheliegenden Gedanken.
Ist doch merkwürdig, oder?

Staaten erkennen - oftmals notgedrungen - die Existenz anderer Staaten an, nicht aber ihr "Existenzrecht". Die BRD hat beispielsweise Anfang der 1970-er Jahre, im Zuge der Aufnahme beider deutschen Staaten in die UNO, die Existenz der DDR anerkannt, aber ganz sicher nicht ihr "Existenzrecht". Andernfalls wäre in dem Moment das "innerdeutsche Ministerium" in Bonn aufgelöst worden und die sog. "ständige Vertretung" der BRD in Ost-Berlin in eine Botschaft umgeformt worden.
Und, wen hat's gejuckt? Damals war ja noch nicht einmal die propagandistische Rede vom "Existenzrecht" in Umlauf.

Nähme man den Begriff des "Existenzrechts" in das Völkerrecht auf, so ergäbe sich sofort die Frage, warum ein Staat erst in dem Moment über ein "Existenzrecht" verfügen sollte, in dem er tatsächlich existiert und warum dieses "Existenzrecht" mit der Existenz des Staates untergehen sollte. Entweder der Begriff "Existenzrecht" ist also schlicht bedeutungsgleich mit Existenz oder er zieht weitreichende Konsequenzen nach sich.
Hat also beispielsweise die siegreiche Entente nach dem Ersten Weltkrieg das "Existenzrecht" von Österreich-Ungarn bestritten? Wenn man's denn so nennen wollte: Ja. Nur redeten die Entente-Mächte von der "Selbstbestimmung der Völker" der Tschechen, Slowaken, Ungarn, Rumänen etc., etablierten also einen antikolonialen Begriff des heutigen Völkerrechts.
(Wollte man nun aber den Begriff des "Existenzrechts" Israels an den völkerrechtlichen Begriff der "Selbstbestimmung der Völker" binden, so müsste man mit dem Problem umgehen, dass selbst 1948, also nach dem Genozid an den Juden - an Juden, die offenkundig keinen eigenen Staat wollten, denn andernfalls wären sie nach Palästina ausgewandert - noch immer nur eine Minderheit des weltweiten Judentums in "ihrem" Staat Israel leben wollte. So funktioniert das also nicht.)

Noch blöder wird's, wenn propagandistisch die Frage gewälzt wird, ob nicht nur ein Staat, sondern eine Person, deren Äußerungen einem nicht passen, "das Existenzrecht Israels" anerkennt.
Gegenfrage: Herr Korinth, erkennen Sie denn das "Existenzrecht" der Staaten Katalonien, Baskenland, West-Sahara, Schottland, Tibet, Palästina, Quebec, Lakota, Volksrepublik Donezk, Volksrepublik Lugansk, Kosovo, Transnistrien, Süd-Ossetien, Kurdistan etc. an?
Ist egal, oder?

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (19.06.2021 00:30).

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