Alleine an dieser Frage lässt sich ergründen, welchen Stellenwert Bauhaus in einer Gesellschaft hat.
Sieht man sich alte Fachwerkstädte in Deutschland an, wie z. B. Celle, die Innenstadt Waiblingens, Quedlinburg, Esslingen, Bamberg, Rothenburg ob der Tauber, Stade oder Städte im Elsass, so stellt man fest, dass ausgerechnet diese Städte viele Besucher verzeichnen, die von der Schönheit der alten Gebäude begeistert sind. Auch die Bauten aus der Gründerzeit, die verschnörkelten alten Villen z. B. im Stadtteil Schwachhausen in Bremen werden von den meisten Menschen als schöne Bauwerke wahrgenommen.
Immer wieder kann man feststellen, dass sich Menschen zwischen kalten und kahlen Fassaden nicht wirklich wohl fühlen. Man lässt sich dort nur ungern nieder um zu verweilen.
Moderne Architektur kommt häufig spektakulär daher, bombastisch, aufdringlich. Gleichzeitig ist sie aber auch sehr häufig abweisend, kalt und entmenschlicht. Man hat den Eindruck, sie wolle jene, für die sie eigentlich geschaffen wurde, nicht an ihr teilhaben lassen, die Menschen ausschließen. Sie erscheint mir oft als Mahnmahl ausufernden Kapitalismus und Leidenszeichen kollossaler Selbstherrlichkeit, das Produkt moderner Architekten und Städtebauer, die zwar eine bessere Welt errichten wollen, aber sehr oft nur alte Lebensformen zerstören und neue Alpträume schaffen. Mir erscheint sie nicht selten als technifaschistische Arroganz, die den Menschen das Gefühl gibt, ihr hilflos ausgeliefert zu sein.
Als Fotograf steht man vor diesen Denkmälern eines vermeintlichen Fortschritts, ist begeistert, weil man eben auch mit dem Auge des Fotografen sieht, wird als Mensch, der inmitten dieser Architektur leben soll, aber gleichzeitig durch die Kälte der Fassaden und Materialien ausgeschlossen, abgewiesen.
Vielleicht ist in dieser gefühlten Abweisung auch die Ursache dafür zu suchen, daß Städte mit alter Fachwerkbebauung mit am belebtesten sind und von ihren Besuchern und Bewohnern als einladend und lebenswert empfunden werden, die Monumente technokratischer Selbstherrlichkeit aber zumeist unbelebt sind.
Sie sind für Menschen gemacht, schließen diese aber aus. Physisch durch Betretungsverbote, Psychisch durch architektonische Arroganz und Kälte.
Bauhaus vermittelt mir einen ähnlichen Eindruck. Für den Fotografen kann die Architektur reizvoll sein, weil das Spiel mit Licht und Schatten ohne störendes Beiwerk besonders gelingen kann. Aber wohnen will ich in solchen Gebäuden nicht. Die Diktatur des Designs hat etwas abgeschafft, das doch wohl die meisten Menschen von einer Wohnung erwarten und wünschen: Gemütlichkeit. Historisch begründet suchen wir nach Geborgenheit in einer Behausung. Die Idee des Bauhaus steht dem entgegen. Hier soll nicht die Behausung sich nach dem Menschen richten, sondern der Mensch soll sich nach ihr richten, er sollte neu geschaffen werden. Ein neuer Mensch sozusagen, der sich in ein modernes Design einpasst wie eine Intarsie.
Das fängt an mit Stühlen, auf denen man nicht sitzen kann weil sie derart unbequem sind, dass sie nur als Hingucker taugen. Die Anatomie von Menschen lässt sich nunmal nicht einem Design anpassen. Und es endet mit Fassaden, die näher an der Trostlosigkeit sind als an der Zweckmäßigkeit.
Nein, nicht alles war oder ist schlecht am Bauhaus. Viele Dinge sind sehr zweckmäßig, wohl durchdacht und beziehen ihren Reiz aus einem schmeichelhaften Design. Geschirr wäre ein Beispiel. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Idee der Bauhaus-Architektur menschlichen Bedürfnissen und Wünschen eher ignorant gegenüber stand. Bauhaus war ja nicht umsonst ein krasser Gegenentwurf der Kunst. Bei industriellen Bauwerken mag man noch akzeptieren, dass hier alleine auf Zweckmäßigkeit geachtet wurde. Aber Wohnungen sollten dem Menschen nicht vermitteln, sich an kühle Kanten und Flächen anpassen zu müssen.
Was ist von Bauhaus übrig geblieben? Einige Bauwerke, die von interessierten Menschen besucht werden. Man schaut, man geht wieder. Designgegenstände, die zu hohen Preisen gehandelt werden und von der eigentlichen Grundidee, nämlich zweckmäßige moderne Dinge in ausreichender Stückzahl für Menschen mit kleinerem Geldbeutel herzustellen, nichts mehr erahnen lassen.
Weit mehr begegnet man dem Abklatsch von Bauhaus, also Dingen, die zu Bauhausstil erklärt werden, aber die eigentliche Idee nur schlecht kopieren oder sogar ignorieren. Bauhaus ist nurmehr ein Begriff, der Dinge irgendwie aufwerten soll, und mit dem man eine scheinbar große Idee oder Zeit künstlerischen Schaffens verbindet.
Moderne Stadtentwicklung scheint die Idee des Bauhaus mitunter aufzugreifen. Strenges Design, kahle, kalte Fassaden, schnörkellos. Aber eben nur Schuhschachteldesign, allerdings ohne Verzicht auf Repräsentation. Von der auch sozialistischen Idee des Bauhaus bleibt nichts.
Wenn man darüber diskutieren will ob Bauen im Bauhausstil sinnvoll ist, ist meine Meinung klar: Nein. Zumindest nicht beim Wohnungsbau. Auch sollte sich die heutige Stadtentwicklung mehr daran orientieren, welche Art von Bebauung von Menschen häufiger aufgesucht und bestaunt wird und als angenehmer empfunden wird. Und da fallen die kalten und menschenabweisenden Gebäudeschluchten glatt durch. Wo der Mensch nur Beiwerk ist oder ihm das Gefühl gegeben wird, nur Beiwerk zu sein und als Mensch nicht mehr wahrgenommen zu werden, ist nicht der Mensch fehl am Platze, sondern die Architektur.