Das Publikum bleibt grübelnd zurück. Sebastian Kurz‘ nahezu ausschließlicher Bezug auf die eigene Außendarstellung übte schon immer eine gewisse Faszination auch auf seine Kritiker aus. Wie Maupassants Bel-Ami war Kurz in seiner Ruchlosigkeit allen immer einen Schritt voraus. Erst jetzt fällt vielen auf, welche unerhörte Leere er dabei verkörperte.
Man möchte sich die Augen reiben: Es gab bei der "türkisen Bewegung" nie echte Inhalte. Kurz stand und steht für nichts.
Warum musste ich beim Lesen des Artikels ständig an den bayerischen Ministerpräsidenten denken, der ja ein ganz offener Bewunderer des Hr Kurz war? Ansonsten passt Wort für Wort auf den Hr Söder.
Ein Karrierepech war für Kurz, wie für andere Trumpisten (ob Trump selbst oder Boris Johnson) ist nun aber sicherlich die Pandemie, denn hier wird Komplettversagen als Komplettversagen erkennbar. Großspurige Ankündigungen das Virus überwunden zu haben, die "Auferstehung nach Ostern" zu feiern und den Menschen einen "coolen Sommer" zu wünschen, wirken lächerlich, wenn das Virus, aufgrund der unzähligen Unterlassungen und Schlampereien der Politik zurückkommt.
Das Versagen in der Pandemiebekämpfung werden die Menschen dem Sebastian Kurz wohl nicht vergessen. Die mehr oder minder großen Gaunereien müssen lange und zäh vor Gericht verhandelt und werden dann vielleicht versanden. Das vollkommen verunglückte Pandemie-Management aber bleibt als klare Erinnerung.
Wieder ein deja vu -Effekt. Aber eine kleine Korrektur sei angebracht. Das Pandemie-Management ist nicht "vollkommen verunglückt" und zwar aus dem einfachen Grund, weil es kein Pandemie-Management geben kann. Pandemien lassen sich nicht managen, Krankenhausbetten in einem gewissen Umfang schon. Und genau das war das Problem von Kurz und ist immer noch das Problem von Söder: beide mussten so tun, als ob sie die Pandemie erfolgreich managen würden, auch wenn sich diese nicht für ihr Management interessiert. Wie bei Trump muss das Pandemie-Management einfach erfolgreich sein, eine andere Alternative existiert gar nicht, weil jede andere Alternative der Beweis wäre, ein Loser zu sein. Nur hört halt das Virus einfach nicht auf das, was getwittert wird, und die menschlichen Adressaten der Kommunikation verlieren auch zunehmend den Glauben, wenn nach zwei Jahren Pandemie die Sache immer noch so aussieht wie zu Beginn. Sowohl Kurz wie auch Söder versuchten ihr Heil mit einer "die Ungeimpften sind unser Unglück" Kampagne, weil sie im Kern auch nur Kampagnen können und sonst nichts, wie der Artikel schön ausführt. Nur ändert so eine Kampagne halt auch nichts an der Belegung der Intensivbetten. Beide standen zunehmend als die Kaiser ohne Kleider da, die sie in Wirklichkeit auch sind. Kurz hat jetzt ausgiebig Gelegenheit, sich neu einzukleiden, Söder wird diese spätestens nach der Landtagswahl 2023 haben.