Besonders von linker Seite wird im gesellschaftspolitischen und politischen Bereich gerne mit dem rhetorischen Kniff der Unterstellung von Doppelmoral gearbeitet - ein Beispiel:
Weil die CSU manchmal einen (wenig stringenten) „harten“ Kurs beim Flüchtlingsthema fährt, wird ihr Scheinheiligkeit oder Doppelmoral vorgeworfen, da sie ja das „Christlich“ im Parteinamen führt.
Auch unwilligen Teilen der Bevölkerung wird herzlose Scheinheiligkeit unterstellt. Manche mögen tatsächlich herzlos und scheinheilig sind. Aber in bunten Gesellschaft bedeutet Buntheit auch, dass es im Spektrum Aspekte von Bitterkeit gibt. Buntheit als Zuckerwatte - süß, wolkig, weich - zu begreifen, ist schon deshalb naiv, da Menschen immer „bittere“ Selbstbezogenheit in sich tragen.
In einigen Gesellschaften des Nahen Ostens oder Asiens wird familialen Netzwerken mehr Kompetenz zugestanden als dem Staat. Bei uns ist es fast umgekehrt: der Bürger wurde tendenziell verstaatlicht (Sozialtransfers, pädagogisch-didaktische Medien), weshalb natürlich die Ansprüche an einen schützenden Staat vergleichsweise groß sind. Entsprechend ist die Wut und Enttäuschung groß, wenn der Staat in Bereichen die Kompetenz (bei Versorgung und Problemlösung) abgibt.
Große Teile der Linken verwenden gerne die Rhetorik der Scheinheiligkeit gegenüber dem einfachen Bürger - merke: die Verlockung von „Publikumsbeschimpfung“ ist bei der Linken weiterhin da. Nur hat die Linke, konkret die SPD, den Staat geschwächt, durch Deregulierung und Senkung der Standards.
Der Liebesentzug durch das zuvor beschimpfte und finanziell beschnittene Publikums ist eigentlich klar. Keine Rhetorik, und schon gar nicht diese - die gar kein Interesse an Veränderung von faktischen Strukturen hat, sondern nur Einstellungen/Images ändern will - wird hier für Versöhnung sorgen.