Ich habe hier einen interessanten Vergleich - just auch aus dem Verkehrssektor. Ab dem Jahr 1871 wurde in Deutschland (und in großen Teilen Europas) deutlich, dass die privaten Eisenbahngesellschaften den Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft nach einem flächendeckenden Schienenverkehr nicht gerecht wurden. Diese privaten Eisenbahnunternehmen bauten fast ausschließlich Schienenverbindungen, die lukrativ waren und die kurzfristig hohe Gewinne versprachen. Sie erschlossen nicht die Fläche. Darauf wurden sie gewissermaßen Zug um Zug enteignet; es kam zu einer staatlichen Eisenbahngesellschaft, der Reichsbahn.
Die Deutsche Reichsbahn wurde erst im Jahre 1920 gegründet, nicht schon 1871 oder kurz danach.
Was 1871 gegründet wurde, war die Kaiserliche Generaldirektion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen. Wie der Name schon sagt, war sie zwar eine Behörde des Deutschen (Kaiser)reiches, aber eben nur für die Reichslande Elsaß-Lothringen zuständig. Auch enstand die Generaldirektion mitnichten aus einer Enteignung, das Streckennetz der privaten Compagnie des chemins de fer de l’Est wurde für 260 Mio. Mark käuflich erworben.
Dass die privaten Eisenbahngesellschaften den Anforderungen der bürgerlichen Gesellschaft nach einem flächendeckenden Schienenverkehr nicht gerecht wurden, wurde auch nicht erst ab 1871 deutlich, sondern schon wesentlich früher. In Sachsen beispielsweise gab es ab 1847 die Königliche Direction der Sächsisch-Bayerischen Staatseisenbahn, also schon 11 Jahre nach dem Bau der ersten privaten Ferneisenbahn in Deutschland. Auch sie enstand nicht durch Enteignung, sondern dadurch, das der sächsische Staat den Bau der Eisenbahnstrecke Leipzig-Hof, der von einer privaten Gesellschaft begonnen wurde, zu Ende führte. Das war nötig (und möglich), weil die Baukosten den Rahmen sprengten, der sächsische Staat aber andererseits von Beginn an die Fertigstellung zugesichert hatte. Der Aufbau des staatlichen sächsichen Eisenbahnwesens war übrigens 1865, also vor dem Deutsch-Französischen Krieg, abgeschlossen. Auch in Preussen gab es schon ab 1850 mit der Königlich-Westfälische Eisenbahn-Gesellschaft und der Preußischen Ostbahn staatliche Eisenbahngesellschaften. Die Verstaatlichung war sowohl in Sachsen, als auch in Preusen im allgemeinen dadurch begründet, das die privaten Eisenbahngesellschaften eben gerade nicht die vom Autor angeführten hohen Gewinne erwirtschafteten. Im Regelfall waren es die Baukosten, die aus dem Ruder liefen und staatliche Interventionen erforderten, teilweise aber auch die mangelnde Rentabilität, so dass die Betriebsführung von Anfang an oder im Laufe der Zeit an den Staat übertragen wurde. Dazu kamen wirtschaftspolitische Interessen, so versuchte beispielsweise Preusen die schlesische Steinkohle gegenüber der billigeren englischen Steinkohle konkurrenzfähig zu erhalten. Enteignet wurde dabei ziemlich selten. Den Verkehr in die Fläche zu bringen, gab es vielfältige Ansätze. Wichtig waren dabei enstprechende gesetzliche Grundlagen (Klein- und Lokalbahnen), die den Bau von Eisenbahnstrecken vereinfachten, oder direkte staatliche Inverstitionen, wie im sächsischen Schmalspurnetz.