the observer schrieb am 22.12.2016 18:10:
Klaus N schrieb am 22.12.2016 16:35:
Ein weiterer Aspekt ist, ob Marx Methode (dialektischer Materialismus) überhaupt als wissenschaftlich zu bezeichnen ist (ich habe meine Zweifel) und ob der Ersatz dieser Methode durch eine andere überhaupt möglich ist (auch da habe ich meine Zweifel, sowohl an der Möglichkeit, als auch, ob dann vergleichbare Ergebnisse herauskommen).
Der dM ist in erster Linie eine Philosophie und kein der Philosophie nachgeordnetes Wissenschaftsfach.
Ich halte es da mit Fritze Engels, was der in seiner Schrift über "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie"
http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_259.htm
am Ende des Kapitels 4 schreibt:
Wir sehn also: Die Religion, einmal gebildet, enthält stets einen überlieferten Stoff, wie denn auf allen ideologischen Gebieten die Tradition eine große konservative Macht ist. Aber die Veränderungen, die mit diesem Stoff vorgehn, entspringen aus den Klassenverhältnissen, also aus den ökonomischen Verhältnissen der Menschen, die diese Veränderungen vornehmen. Und das ist hier hinreichend. -
Es kann sich im Vorstehenden nur um einen allgemeinen Umriß der Marxschen Geschichtsauffassung handeln, höchstens noch um einige Illustrationen. Der Beweis ist an der Geschichte selbst zu liefern, und da darf ich wohl sagen, daß er in andern Schriften bereits hinreichend geliefert ist. Diese Auffassung macht aber der Philosophie auf dem Gebiet der Geschichte ebenso ein Ende, wie die dialektische Auffassung der Natur alle Naturphilosophie ebenso unnötig wie unmöglich macht. Es kommt überall nicht mehr darauf an, Zusammenhänge im Kopf auszudenken, sondern sie in den Tatsachen zu entdecken. Für die aus Natur und Geschichte vertriebne Philosophie bleibt dann nur noch das Reich des reinen Gedankens, soweit es noch übrig: die Lehre von den Gesetzen des Denkprozesses selbst, die Logik und Dialektik.
http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_291.htm#S305
Und weiter vorne, in Kapital II -- da hier Hypothesen erwähnt wurden:
(Seite 276, im Web http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_274.htm#S276 bis S277
(ein paar zusätzliche Absatzschaltungen von mir eingefügt)
Daneben gibt es aber noch eine Reihe andrer Philosophen, die die Möglichkeit einer Erkenntnis der Welt oder doch einer erschöpfenden Erkenntnis bestreiten. Zu ihnen gehören unter den neueren Hume und Kant, und sie haben eine sehr bedeutende Rolle in der philosophischen Entwicklung gespielt.
Das Entscheidende zur Widerlegung dieser Ansicht ist bereits von Hegel gesagt, soweit dies vom idealistischen Standpunkt möglich war; was Feuerbach Materialistisches hinzugefügt, ist mehr geistreich als tief. Die schlagendste Widerlegung dieser wie aller andern philosophischen Schrullen ist die Praxis, nämlich das Experiment und die Industrie.
Wenn wir die Richtigkeit unsrer Auffassung eines Naturvorgangs beweisen können, indem wir ihn selbst machen, ihn aus seinen Bedingungen erzeugen, ihn obendrein unsern Zwecken dienstbar werden lassen, so ist es mit dem Kantschen unfaßbaren "Ding an sich" zu Ende.
Die im pflanzlichen und tierischen Körper erzeugten chemischen Stoffe blieben solche "Dinge an sich", bis die organische Chemie sie einen nach dem andern darzustellen anfing; damit wurde das "Ding an sich" ein Ding für uns, wie z.B. der Farbstoff des Krapps, das Alizarin, das wir nicht mehr auf dem Felde in den Krappwurzeln wachsen lassen, sondern aus Kohlenteer weit wohlfeiler und einfacher herstellen.
Das kopernikanische Sonnensystem war dreihundert Jahre lang eine Hypothese, auf die hundert, tausend, zehntausend gegen eins zu wetten war, aber doch immer eine Hypothese; als aber Leverrier aus den durch dies System gegebenen Daten nicht nur die Notwendigkeit der Existenz eines unbekannten Planeten, sondern auch den Ort berechnete, wo dieser Planet am Himmel stehn müsse, und als Galle dann diesen Planeten wirklich fand, da war das kopernikanische System bewiesen.
Wenn dennoch die Neubelebung der Kantschen Auffassung in Deutschland durch die Neukantianer und der Humeschen in England (wo sie nie ausgestorben) durch die Agnostiker versucht wird, so ist das, der längst erfolgten theoretischen und praktischen Widerlegung gegenüber, wissenschaftlich ein Rückschritt und praktisch nur eine verschämte Weise, den Materialismus hinterrücks zu akzeptieren und vor der Welt zu verleugnen.
|277| Die Philosophen wurden aber in dieser langen Periode von Descartes bis Hegel und von Hobbes bis Feuerbach keineswegs, wie sie glaubten, allein durch die Kraft des reinen Gedankens vorangetrieben. Im Gegenteil. Was sie in Wahrheit vorantrieb, das war namentlich der gewaltige und immer schneller voranstürmende Fortschritt der Naturwissenschaft und der Industrie. Bei den Materialisten zeigte sich dies schon auf der Oberfläche, aber auch die idealistischen Systeme erfüllten sich mehr und mehr mit materialistischem Inhalt und suchten den Gegensatz von Geist und Materie pantheistisch zu versöhnen; so daß schließlich das Hegelsche System nur einen nach Methode und Inhalt idealistisch auf den Kopf gestellten Materialismus repräsentiert.
Was mir da von an Poppereien vorzitiert wird, erscheint mir als sich im Kreise drehende Schnurrpfeiferei. Ich seh da nichts, was mich dazu reizen könnte, noch mehr von diesem Käse zu lesen.
Die Wirklichkeit ist die Probe, nicht Fantastereien im Koppe.
Um einen zentralen Satz aus dem obigen von Engels zu wiederholen:
Es kommt überall nicht mehr darauf an, Zusammenhänge im Kopf auszudenken, sondern sie in den Tatsachen zu entdecken.
Wer Marxens "Kapital" demontieren will, der muß das anhand der Tatsachen machen, nicht mit Spintisierereien