the observer schrieb am 20.12.2016 18:37:
Und Du irrst Dich dennoch: Das Prinzip der Falsifikation behandelt er in der Logik der Forschung, gleich im ersten Kapitel Grundprobleme der Erkenntnislogik, im Abschnitt Abgrenzungskriterium. Du kannst Dich selbst davon überzeugen:
https://monoskop.org/images/e/ec/Popper_Karl_Logik_der_Forschung.pdf
Danke für den Link. Ich glaube, ich kann den Irrtum jetzt auch aufklären. Wahrscheinlich war ich nicht ganz präzise. In der Offenen Gesellschaft geht es unter anderem um die Pseudowissenschaftlichkeit von Marx (aber mehr noch seiner Anhänger). Die fehlende Falsifizierbareit wird da meiner Erinnerung nach mit abgehandelt, aber nicht gesondert abgeleitet. Wir haben wahrscheinlich beide ein bisschen recht.
Aber abgesehen davon ist das Falsifikationsprinzip, obwohl grundsätzlich richtig und wichtig, nicht unumstritten. Zumindest findet es in der Forschung nicht diese Anwendung. Denn würde man es konsequent anwenden, gäbe es wohl kaum eine neue oder bessere naturwissenschaftliche Theorie, denn jede Theorie ist widersprüchlich oder zeigt Abweichungen zu empirischen Erkenntnissen, hätte also längst verworfen sein müssen.
Ich würde es anders ausdrücken. Keine Theorie ist endgültig, aber manche Theorien sind besser untermauert als andere, manche sind in sich widersprüchlich und deshalb schon denklogisch falsch, und manche sind durch Experimente widerlegt und daher vorläufig falsch.
Ebenso problematisch ist seine Ablehnung der Methode der Induktion, also des Schließens vom Besonderen, vom Emprischen auf das Allgemeine. So wäre es seiner Auffassung zufolge wissenschaftlich nicht gerechtfertigt, aus der Beobachtung, daß die Sonne heute morgen im Osten aufging und abends im Westen unterging, den schluß zu ziehen, daß das auch morgen so sein wird.
Lehnt er damit wirklich die Methode ab, oder weist er nur auf eine Schwäche der Methode hin, um uns daran zu erinnern, dass unser Wissen immer unter Vorbehalt steht?
Siehe dazu auch Nassem Taleb und seinen schwarzen Schwan bzw. das Gleichnis vom Truthahn.
siehe hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/themen/krisentheorie-da-staunte-der-truthahn-1713270.html
Was schwebt Dir als Beispiel für nicht falsifizierbar in der Naturwissenschaft vor?
Die Urknalltheorie beispielsweise, aber auch andere astrophysikalische Theorien.
Ja, an die hatte ich auch gedacht. Wobei ich da trennen würde: Die Urknalltheorie scheint (soweit ich das überblicken kann) sich zumindest bis zu einer infinitesimal kleinen Zeit nach dem Urknall und unter der Annahme, dass die bisher beobachteten physikalischen Gesetze auch zu dieser Zeit galten mit dem, was wir bisher über das Universum wissen zu decken. Vermutlich (auch da habe ich zu wenig Spezialwissen) sind auch Experimente denkbar, deren Ausgang die Urknalltheorie falsifizieren könnte. Was aber vor dem Urknall war, darüber kann die Wissenschaft nur spekulieren.