Klaus N schrieb am 16.05.2021 23:29:
morgen Stern schrieb am 16.05.2021 22:37:
Hm, Cobb-Douglas war mir unbekannt. "Gutbürgerlich" und in https://de.wikipedia.org/wiki/Cobb-Douglas-Funktion: "Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion eignet sich vor allem zur Modellierung größerer wirtschaftlicher Systeme (von größeren Unternehmen bis hin zu ganzen Volkswirtschaften)." Das klingt ja nach richtig Schotter. Du hast nicht zufällig einen gutbezahlten Homeoffice-Job für mich?
Klingt für mich so, als müsstest du dir gerade sehr ernste Gedanken über Absatzmärkte machen.
Oh, da habe ich ein Missverständnis provoziert. Nein, ich bin kein Eigentümer eines Schotterkonzerns, ich kann nur verstehen wie die ticken und benutze Cobb-Douglas auch nicht für den Eigenbedarf, sondern nur zum Verständnis.
Von wegen Elastizität von Produktionsfaktoren: Weil ja gerade in Krisenzeiten den Medien im Zweifelsfall gar nichts zu glauben ist, Panik vernünftigerweise unterbunden werden muss, wurde ich letztens hellhörig, als Lieferengpässe dort zumindest mal angerissen wurden. Hast du diesbezüglich irgendein präzises Bild von der Situation?
Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich muss in letzter Zeit häufig daran denken, was ich heute eigentlich über
Everybody feels guilty
So anyone can pay
I'm just surprised it doesn't happen
Every bloody daydenke. Das ist von NMA aus z. B. https://youtu.be/YAia0LnHx_I
In meiner Spätpubertät entsprach das so sehr meinem Lebensgefühl, dass ich es schlicht für unmittelbar wahr hielt. Heute bezweifle ich, dass ein relevanter Teil der Bevölkerung damals so fühlte, nur weil wir Freaks so fühlten.
Hmmm. Das verortet uns in ungefähr der gleichen Periode, aber in unterschiedlichen Geschmacksuniversen.
Aber ich teile deine Auffassung, dass der NMA-Text nicht die Mehrheitsmeinung widerspiegelt. Die meisten suchen "guilty" ausserhalb von sich selbst. Ausländer, Kapitalisten, der Papst, die Israelis, "Das System", you name it. Leseproben stets hier im Forum.
Ja, sad thing. Ich finde sehr bedauerlich, dass es keine weite Einsicht dafür gibt, dass nicht nur aus dem vermutlich hierzulande kaum von jemandem echt geglaubten Karma-Begriff, sondern auch aus dem zwar noch immer randständigen, aber verbreiteteren Totalitätsbegriff folgt, dass wir uns mittelbar selbst antun, was wir den Nächsten antun. Ich versuche in dem Feucht-Biotop, in dem wir leben, möglichst selbst Mücken, Bremsen und die überall auf dem Weg herumkrabbelnden Käfer zu schonen, aber bei Bremsen scheitere ich damit meist und die Frau erwartet selbstverständlich, dass ich hier regelmäßig Rasen mähe, was aus der Perspektive jedes Mal ein Massaker ist, über das ich ohne große Wahrnehmung dafür einfach rüberbrakker. Das Christentum hat ja trotz Menschwerdung Gottes so einen starken Zug zur Geringschätzung des Disseitigen im Verhältnis zum Jenseitigen und bei den anderen Monotheismen ist das wohl kaum anders, dass es kaum ein Wunder ist, dass wir in unseren Kosten-Nutzen-Kalkülen systematisch Kosten zu externalisieren und Nutzen zu internalisieren können meinen. Ich finde mich da in einer ironischen Situation wieder: Wir setzen so sehr die Gande Gottes voraus, dass ich nur hoffen kann, er/sie/es gnade uns mehr als wir zu glauben berechtigt sind.
NMA war schon ein wenig aus der Mode als ich da hinein wuchs. Ich vermute, du bist näher an meinem Bruder, Jahrgang '72, als an mir, '77, dran.
Hm, was hörst du denn so? Rick Astley? Oder gutbürgerlich lieber Bach und Mozart?
Mein Bruder hatte im Spätsommer Covid, sozial isoliert, willentlich abgeschnitten vom Gesundheitssystem. So schlimm, dass er, als es ihm wieder besser ging, erzählte, dass er sich vom Balkon im siebten Stock stürzen wollte, dafür aber einfach krankheitsbedingt nicht mehr die Kraft hatte. Es hatte ihn mit tiefer Demut erfüllt. Aber solche Gefühle verflüchtigen sich leicht, heute erscheint mir das bei ihm schon deutlich weniger dominant.
Oh Mann, Scheiss-Situation. Ich hoffe, er hat sich erholt.
Soweit ich weiß, wesentlich schon. Er ist sehr sportlich und jammerte eine ganze Weile darüber, dass die alte Leistungsfähigkeit nicht in Sicht ist. Unterdessen aber vermutlich schon mehr oder weniger.
Ich frage mich, ob heute relevantere Bevölkerungsteile so fühlen wie ich Freak damals in Bezug auf den NMA-Song. Anders gesagt: Ich frage mich, ob wir mehr Demut in unserem Verhältnis zur Natur entwickeln. Nachdem, was ich so aus den Medien mitbekomme, macht es nicht den Eindruck.
Ich fürchte, es ist alles beim Alten geblieben. Das Bewusstsein für die aufkommende Naturkatastrophe ist zwar da, aber in der Debatte argumentiert jeder mit zunehmender Lautstärke warum jede andere Gruppe zahlen muss/schuld ist, ausser der eigenen.
Mal abgesehen von den Öko-Kapitalien, die so frohlocken dürften wie ihre Partei. Ich bin da zwar kein Fan von, aber Green New Deal wäre mir zumindest lieber als gar kein New Deal. Öl-Industrie wird das aber vermutlich so lange zu verhindern wissen, wie's nur irgend geht.
"everybody wants to change the world. Nobody wants to help to do the dishes" (P.J. O'Rourke)
Finde ich zu einseitig, ich kann allerdings gar nicht beurteilen, inwieweit sich FFF-Akteur_innen daran machen, die Teller zu waschen. Die Ausstattung der Küchen dürfte im Verhältnis zu denen in den 70ern jedenfalls wesentlich besser geworden sein.
Daran bist aber vermutlich im Zweifelsfall du mit deinem Werbeetat Schuld,
Das stimmt. Jeder Post von mir auf Telepolis bringt die Welt ein Stückchen näher an den Abgrund. Das war auch die Arbeitsteilung, die ich mit George Soros besprochen habe. Mein Werbeetat fliesst dann aber komplett in die Dry Martinis (geschüttelt, nicht gerührt), die ich vor, während und nach dem posten trinke.
Also, wenn sich dein Werbeetat in kostenlosen tp-Beiträgen und Martinis erschöpft, kann die Besprechung mit Soros ja nicht recht auf Augenhöhe verlaufen sein, wenn ihr jetzt nicht aus irgendeinem Grund alte Buddys seid. Ich finde auch Scherze heikel, die antisemitischen Wahn aufs Korn nehmen, weil jener Wahn auch daran wächst. Aber gut, dieses Artikelforum ist wohl hinreichend alt, so dass die Aluhut-Fraktion hier nicht mehr vorbeischaut und das zumindest hier nichts mehr groß tut.
jenseits des medialen Scheins dürfte sich da schon einiges verschieben, nehme ich an. Kann ich aber nicht wissen.
Ich habe eine Covid-Interpretation, die Licht nur hinter tiefster Düsternis vorsieht, siehe https://www.heise.de/forum/p-38612166/
Oh, zu Adorno habe ich keinen Zugang. Ich finde die Quellen, aus denen er trinkt schon problematisch (Hegel, Marx, Freud) und was er daraus macht zu dunkel. Ich bin da wahrscheinlich zu sehr von Schopenhauer, Popper und Mill beeinflusst.
Jedenfalls danke für die freundliche Diskussion und nochmal die besten Wünsche für Deinen Bruder. Ich fühle mich seltsam mit ihm verbunden und finde, dass man vielleicht aus diesen Seltsamkeiten ein wenig Hoffnung für homo sapiens schöpfen kann.
Sehen wir mal davon ab, dass die im Gegensatz zu Adorno noch nichts von Auschwitz und Hiroshima wissen konnten, finde ich Mill und Schopenhauer viel düsterer als Adorno. Mill war für Arbeitszwang, ein unbekehrter Scrooge, Schopenhauer so negativ gegenüber dem Diesseits wie Buddha, aber im Gegensatz zu ihm ohne Zugang zum Nirvana. Poppers Licht reißt das im Dreigespann m. E. nicht raus: Adorno ist bei aller Negativität weit heller als die drei zusammen. Unverstanden dürfte von dir sein, dass Adornos Negativität metaphorisch gesprochen einen Gravitationslinseneffekt erzeugt, der Lichtes viel klarer sehen lässt als ohne die realistische Negativität möglich.
Allerdings ist Adorno in jenem Beitrag von mir auch bloß intellektuelles Sicherheitsnetz und Appetizer gewesen, zentraler ist Gretas Rede vor der UN. Ich find's schwierig, tp einfach bloß mit Mystizismus zu füllen - ohne zumindest zu verstehen zu geben, dass ich informierter über die Dialektik der Aufklärung bin als vermutlich mindestens 95 % der Leute hier. Mystisches war schon der Moderne suspekt, die Postmoderne hält es im Zweifelsfall unmittelbar für Spinnerei, schlechten Witz oder Abzocke.
Schopenhauer ist übrigens so ziemlich das einzige im engeren Sinne Philosophische, das mein Bruder rezipierte. Ihr ähnelt euch vielleicht tatsächlich stark. Ich verstehe allerdings nicht recht, was du mit "Seltsamkeit" meinst, am ehesten deute ich das als subtile Andeutung deiner suizidalen Tendenzen, vermutlich meinst du aber etwas Tieferes, das mir gerade dunkel bleibt.